Jan Costin Wagner über ´Sakari lernt, durch Wände zu gehen´

Was passiert, wenn wir Menschen verlieren

"Meine Krimis kreisen um die grundlegenden Fragen des Menschseins", sagt Jan Costin Wagner. In seinem neuen Roman ´Sakari lernt, durch Wände zu gehen´ erzählt der Autor die Geschichte eines Mannes, der nach einem großen Verlust in eine andere Welt abgleitet.

Jan Costin Wagner / © Heike Bogenberger (Galiani Verlag)

Ein Mann wird von einem Polizisten erschossen. Der Mann scheint verrückt zu sein. Er steht nackt und mit einem Messer bewaffnet in einem Brunnen. So beginnt der Roman von Jan Costin Wagner. Der Autor macht sich in diesem Buch das Seelenleben gleich mehrerer Personen zu eigen und erzählt aus der Perspektive der verschiedenen Romanfiguren. Das ist beeindruckend, weil es die Welt zeigt, wie sie ist, aus einer immer anderen Perspektive – und was man von dort aus sehen kann. Weit zurück reichen die Ursachen für das Schicksal von Sakari. Bei einem Motorradunfall hat er seine Geliebte verloren. Die beiden sind sehr jung ins Leben aufgebrochen – und dann passierte das Unglück. Sakari fühlt sich schuldig. Nach dem Unglücksfall verschwindet er in seine eigene Welt. "Er verschwindet in diese zweite Welt, weil er mit dem Verschwinden des geliebten Menschen nicht anders leben kann", sagt Jan Costin Wagner, "er wird in diese andere Seitenwelt getrieben, in der der geliebte Mensch noch lebt und in der die Voraussetzungen auf den Kopf gestellt sein können. Dafür steht auch sein durch Wände gehen."

Wenn Menschen verloren gehen

´Sakari lernt, durch Wände zu gehen´, so heißt der Krimi. Jan Costin Wagner fragt darin, wie Menschen mit großem Verlust umgehen, wenn Geliebte, wenn Kinder sterben, was passiert, wenn uns Menschen abhanden kommen, auch weil sie unserer Welt, wie Sakari, auf einmal entrückt sind. "Er zahlt den Preis, dass er der Welt, so wie wir sie kennen, verloren geht," sagt Wagner. "Davon erzählt der Roman natürlich auch, wie er den Menschen, die ihm nahe standen, verloren geht, in dem er die Geliebte, die er verloren hat, bewahrt." In Sakaris Welt lebt die Verstorbene wie ein menschlicher Engel weiter. Was ist hier Wahn und was Wirklichkeit? Auch danach fragt der Krimi. Der ermittelnde Kommissar Kimmo kann nachfühlen, wie es ist, einen Menschen zu verlieren. Er selbst hat das erlebt. Und auch bei ihm bleibt diese Angst, wenn er zum Beispiel seine kleine Tochter beobachtet, wie sie fröhlich ins Wasser springt – dann fragt er sich auch immer. "Was passiert in dem Moment, in dem das Auftauchen nicht stattfindet?", beschreibt der Autor die Gefühle seines Kommissars: "Das versetzt ihn auch in die Lage, den Menschen nahe zu sein, die genau das erleben – dass der geliebte Mensch eben nicht zurückkehrt."

In der Dunkeheit ein Licht finden

Wie können Menschen mit einem Verlust, der sie bis ins Mark erschüttert, überleben. Jan Costin Wagner erzählt, wie es Menschen nicht gelingt, sich zu erreichen, sich zu versestehen, sich zu trösten, wie sie in ihrer Einsamkeit verzweifeln. Dann gibt es aber auch Augenblicke, die in all dem Unglück, etwas sehr tröstliches haben. Das sind die Augenblicke des Glücks, der Liebe, die zum Beispiel Kommissar Kimmo mit seiner Tochter erlebt. Bei allen grausamen Dingen, die um ihn herum geschehen. "Man weiß im Leben nie was passiert", sagt der Autor, "aber in diesem Moment sind die beiden da, sie sind glücklich. Dieses Momentum ist für mich ein ganz prägendes Element dieses Buches, als Gegengewicht, als heimliche leise Flamme, die weiterbrennt und weiterflackert, unabhängig von allem, was passiert." Jan Costin Wagners Krimi ist düster, das stimmt. Der Autor erzählt von verzweifelten Menschen, die alles, was sie haben, verlieren. Aber Wagner läßt diese Dunkelheit nicht stehen. "Mir war es wichtig, in dieser Dunkelheit dieses Licht zu finden und sichtbar zu machen. Es war für mich wichtig, dass der Roman auf dieser Note endet," sagt der Autor.


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