Isabel Bogdan über ihren Roman 'Laufen'

Ein langer Weg zurück ins Leben

Nach einem erschütterndem Verlust glaubt eine Frau, am Ende ihrer Kraft zu sein. Dennoch beginnt sie zu laufen. Ihre Runden werden von Woche zu Woche länger - und was als Davonlaufen beginnt, wird schließlich ein Weg zurück ins Leben.

Isabel Bogdan / © Heike Blenk (KiWi)
Isabel Bogdan / © Heike Blenk ( KiWi )

Eine Frau, sie ist 43 Jahre alt und Orchestermusikerin, erlebt eine Katastrophe. Ihr Lebensgefährte begeht Suizid. "Sie ist erst einmal in ein tiefes schlimmes Loch gefallen", erzählt die Autorin über ihre Protagonistin, "und beschließt irgendwann, dass sie etwas tun muss und sie fängt mit dem Laufen an". Der Leser begleitet die Ich-Erzählerin dann über ein Jahr, indem sie immer wieder läuft. Dabei wird sie körperlich immer fitter. Ihre Gedanken kreisen am Anfang noch sehr um den verstorbenen Lebensgefährten und die Trauer. Zum Ende gelingt es ihr, sich langsam der Welt zu öffnen und ins Leben zurückzulaufen.

Die Frage nach dem: Warum?

Ihr Lebensgefährte litt unter Depressionen, eine Krankheit, die die Ich-Erzählerin nicht begreifen kann, denn sie liebt das Leben, und ihr Leben mit ihrem Freund hatte doch auch so viele lebensfrohe und glückliche Momente. Warum wirft jemand das ganze Leben weg? Diese Frage wird sie nicht los. "Dazu kommen die eigenen Schuldgefühle", sagt Isabel Bogdan, "diese dauernden wiederkehrenden Fragen: Hätte ich es ahnen können? Hätte ich es verhindern können? Hätte ich es sehen müssen?" Die Ich-Erzählerin versucht zu akzeptieren, dass das eben seine Entscheidung war. Aber das sei natürlich hammerhart, so etwas zu akzeptieren, sagt die Autorin.

Die Einheit von Körper und Seele

Der Roman 'Laufen' erzählt auch davon, wie Körper und Seele zusammenhängen, eine Einheit bilden. Das Laufen bringt die Ich-Erzählerin in einen Rhythmus, der ihr hilft. Isabel Bogdan ist davon überzeugt, dass Trauer oder eine sehr starke Emotion immer auch etwas mit dem Körper macht. "Das ist körperliche Arbeit, die irgendwie nach innen reingeht in den Körper, und die man nicht direkt beeinflussen kann", sagt sie. Es könne ganz heilsam sein, wenn man diese Arbeit nach außen bringe, indem man sich körperlich auspowere und dem psychischen Schmerz einen physischen entgegensetze. Das könne auch ein Ventil sein, um die Trauer herauszulassen, sagt Bogdan.

Eine Freundin ist ihr Schutzengel

Laufen kann dabei auch etwas Meditatives haben – wie es auch das Gebet hat. Und dann hat die Ich-Erzählerin eine allerbeste Freundin. Rike heißt die und ist eine Art Schutzengel für die Romanheldin. "Rike macht alles richtig", erzählt die Autorin. "Sie sagt die richtigen Sachen und sie gibt keine klugen Ratschläge und bringt nicht diese klugen Sprüche, 'das Leben geht weiter' oder, 'dein Freund ist jetzt in einer besseren Welt', womit sie nichts anfangen kann, sondern nimmt sie einfach in den Arm und lenkt sie manchmal ab und läßt sie ansonsten heulen".

Was gibt uns Trost?

In der existentiellen Krise fragt sich die Ich-Erzählerin auch nach dem Sinn des Lebens. Was ist das? Was kann ein Sinngenerator für ein geglücktes Leben sein? "Sinn des Lebens ist etwas Großes," sagt Isabel Bogdan. "Freude am Leben ist schon etwas, was meine Romanheldin hat und ihr Freund auch mal hatte und dann ist es ihm verloren gegangen".

Isabel Bogdans Roman kreist auch um die Frage: Was gibt uns Trost, wenn um uns alles zusammenbricht? Also stellen wir der Autorin diese Frage: Was tröstet sie persönlich, wenn sie daran denkt, dass der Tod am Ende doch für jeden Menschen alles kaputt macht. "Mir gibt das Gleiche Trost, was auch meiner Protagonistin Trost gibt", antwortet die Autorin, "die Lebensfreude und die Freunde. Ich glaube, dass man natürlich jetzt nicht irgendwie alles Schlechte beiseiteschieben kann oder darf oder sollte, aber man muss sich auch immer wieder auf die Freuden im Leben konzentrieren und darauf stürzen und genießen, was da an Schönem ist, Freunde haben und ein Freund sein".


Quelle:
DR