Feridun Zaimoglu über seinen Luther-Roman "Evangelio"

Gegen die "Verscherzartikelung" von Luther

Er habe sich von der "Wortpracht" anstecken lassen, von dem "Glutkern des Glaubens", der hier spürbar werde, schwärmt Feridun Zaimoglu über die Luther-Bibel, die er schon mit elf Jahren zum ersten Mal gelesen habe. "Wenn ich für einen Stoff brenne, dann kenne ich kein Halten mehr", sagt er weiter. Und so ist es fast zwangsläufig, dass der Autor früher oder später einen Roman über den wortmächtigen Martin Luther schreiben musste.

Feridun Zaimoglu / © Melanie Grande (KiWi)
Feridun Zaimoglu / © Melanie Grande ( KiWi )

Feridun Zaimoglu hat einen "Luther-Roman" geschrieben, "Evangelio", so heißt sein Buch. "Mir ging es darum, unabhängig von den Jubiläumsfeiern in diesem Jahr, diesen Gottesmann, diesen großen Deutschen in einer Nachdichtung der damaligen Sprache zu beschreiben", erklärt Zaimoglu. Für die einen sei Luther ein furioser, ein aufbrausender Gottesmann, für die anderen ein Spalter. Dabei könne man Luther seiner Zeit nicht entheben, ist der Autor überzeugt. Nur so erkläre sich seine ungebändigte Wut und sein Hass auf Türken, Juden, Römlinge und Bauern. Luther sieht sich auch in Zaimoglus Roman von Feinden umstellt – und vom Satan verfolgt. "Ich glaube schon, dass ich zum Spielverderber werde", sagt der Autor, wenn er daran denkt, dass er im Lutherjahr auf dem Kirchentag und auf unterschiedlichsten Podien eingeladen ist: "Ich sehe die Tendenz der Verscherzartikelung von Luther. Nichts gegen Luthersocken und Lutherbackformen – nein, kann man alles machen. Was mir allerdings seltsam erscheint, dass man aus Luther ein feistes Mönchlein in seinem Kräutergarten macht". Das sei doch zu wenig, meint der Autor: "Hauptsache, so das Motto der Harmoniehasen, alle können mitmachen. Aber das, was Luther eigentlich ausmacht, wird hier weggeschoben", sagt er.

"Ich glaube an Gott und den verfluchten Teufel"

Der Luther-Roman "Evanglio" spielt im Jahr 1521. Der katholische Landsknecht Burkhard erzählt seine Geschichte. Er ist vom Kurfürsten dem verfolgten Luther beigestellt, er soll auf der Wartburg, wo Luther versteckt wird, auf ihn aufpassen. Dieser gescheite Landsknecht ist dem "Ketzer" intellektuell durchaus gewachsen und er streitet mit ihm – wüst und mit wortgewandter Wollust. "Immer wieder wirft der Landsknecht Martin Luther vor, ihn und die gläubigen Katholiken vom Glauben ihrer Väter und Vorväter abzubringen", sagt Zaimoglu. Bis zum Ende bleibt Burkhard aber seinem katholischen Glauben treu, auch weil er mit der lustfeindlichen Verteufelung der Erotik durch Martin Luther nichts anfangen kann. Überhaupt spielt der Teufel und die Versuchungen des Satans in dem "Luther-Roman" eine zentrale Rolle. "Vielleicht mache ich mich jetzt hier lächerlich", sagt Zaimoglu im domradio.de Interview, "aber ich liebe es, als lächerliche Figur dazustehen, wenn es darum geht, ehrlich zu bleiben. Ich glaube an Gott und ich glaube, dass es den gefallenen und verfluchten Teufel gibt. Er war der alte Feind, und er wird bis zum Ende aller Tage mein und aller Menschen Feind bleiben".

"Jesus ist mein Heiland"

Es ist ein spannendes Vergnügen mit Feridun Zaimoglu über Gott, den Satan, Martin Luther und die Wortpracht und Wortherrlichkeit der Sprache zu reden. Dabei entgleiten einem alle landläufigen Etiketten, wenn man Zaimoglu einem konfessionell bestimmbaren Glauben zuordnen will. Er sei ein aufgeklärter Muslim, sagt er selbst. Als Kind hat er in Bayern den katholischen Religionsunterricht besucht. Von Religion hält er aber nicht viel – aber von Gott, vom Mysterium, vom Glutkern des Glaubens, der von oben kommt, der sich im und am herrlichen Wort entzündet und den Menschen überragt. Jesus nennt er seinen Heiland, seinen Messias: "Es gibt für mich keinen Zweifel, dass Jesus einer der schönsten Menschen auf Erden war", schwärmt er, "geheiligt sei sein Name – ich bin einer, der das Vaterunser sehr gern und sehr oft spricht – sein Reich wird kommen". Und dann erzählt Feridun Zaimoglu, wie er einen christlichen Friedhof in Salzburg besuchte: "Und da stand auf den alten Grabsteinen ´hier ruht´ – und dann der Vorname und der Name, und darunter stand ´Wartet auf die Auferstehung´. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich daran denke".