Feridun Zaimoglu über 'Die Geschichte der Frau'

"Männer haben die Welt verhäßlicht"

In seinem Buch 'Die Geschichte der Frau' wagt Feridun Zaimoglu ein literarisches Abenteuer. Er erzählt die Menschheitsgeschichte neu und lässt zehn außerordentliche Frauen zu Wort kommen – vom Alten Testament bis in die Gegenwart.

Feridun Zaimoglu / © Melanie Grande (KiWi)
Feridun Zaimoglu / © Melanie Grande ( KiWi )

"Plötzlich kommt da ein Mann, der für die Frauen Gerechtigkeit fordert und hunderte und aberhunderte Jahre beschreibt und das Ganze auch noch als 'Die Geschichte der Frau' betitelt. Was fällt ihm ein?" Der Autor Feridun Zaimoglu war sich durchaus bewußt, dass sein Buch 'Die Geschichte der Frau' auf viel Kritik stoßen wird. Ausgerechnet ein Mann erzählt, wie ungerecht und verbrecherisch Männer Frauen behandelt haben. "Wir sind so. Wir haben die Welt verhäßlicht", sagt er, "wir haben die Welt für die Frauen zur Hölle auf Erden gemacht und das Unrecht stinkt uns in die Nase". Es sei unerträglich und aus diesem Gefühl der Unerträglichkeit heraus habe er dieses Buch geschrieben.

In 'Die Geschichte der Frau' erzählt Zaimoglu zehn Frauengeschichten. Er wählt dabei ihre Perspektive. Er hält den Männern den Spiegel ihrer nazistischen Ignoranz vor die Nase. Die erste Frau, die ihre Geschichte in dem Buch erzählt, ist Zippora, die Frau des Moses, eine biblische Gestalt aus dem Alten Testament. "Es war mir wirklich wichtig, bei den Frauen aus dem Alten und dem Neuen Testament einen Anfang zu setzen, denn die biblischen Geschichten sind schließlich konstituierend für das Abendland", sagt Zaimoglu.

Zippora - die unerschrockene Frau des Moses

Über Zippora stehen nur wenige Sätze im Alten Testament. Sie war eine dunkelhäutige Priestertochter, die von Mose zwei Kinder hatte, die ihm das Leben gerettet hat, ohne die Mose niemals diese enorme Bedeutung bekommen hätte. "Wenn man in den jüdischen Überlieferungen über Zippora liest, dann ist man erschrocken darüber, wie man sie so sehr an die Seite schieben konnte. Was ist das für eine stolze und kämpferische Frau und nicht eine, die sich hinter dem Propheten einfach versteckt".

Genauso ging es Zaimoglu auch mit Judith, der Frau des Judas im Neuen Testament, die wie große Teile des weiblichen Personals irgendwann einfach aus der Gesichte Jesu verschwunden sind, die in egozentrischer Männermanier aus dem Kanon getilgt wurden. – so auch Judith, die Frau des Judas. "Weil ja meist in den Heiligengeschichten oder in den kanonisierten Texten die Geschichten der Männer erzählt werden und die Frauen eher Assistenzfiguren sind, erfährt man sehr wenig über die Frauen", sagt der Autor Zaimoglu. "Aber je mehr ich darüber gelesen habe, desto mehr habe ich auch über diese tapfere, unerschrockene Frau erfahren".

Die Frauen in der Geschichte sichtbar machen

Feridun Zaimoglu ergreift in seinen zehn Frauengeschichten die Stimme der Frauen durch die Jahrhunderte. Vom Alten Testament bis in die Moderne, von Zippora bis zu einer Arbeitsmigrantin, die aus der Türkei nach Deutschland kommt, oder die Stimme einer als Hexe verurteilten Frau des Mittelalters oder einer Trümmerfrau nach dem zweiten Weltkrieg. 'Nach ihren Siegen lernten die Männer, / Ruhmestaten zu erdichten. / Sie schrieben, sich erlügend, ihre Sagen. / Dies ist der Große Gesang, der ihre Lügen tilgt. / Es spricht die Frau. / Es beginnt'.  Diese Verse schickt Feridun Zaimoglu seinem Roman voran und sagt: "Mir war es bei diesem Buch darum zu tun, auf jene Frauen einzugehen und sie sichtbar zu machen, über die man wenig weiß, die man nicht kennt".


Quelle:
DR