Felicitas Hoppe über die Gültigkeit der Weihnachtsgeschichte

Umtausch möglich? Jesus im Amazon-Paket

Jesus, Maria und Josef. Ochs und Esel. Hirten und Schafe. Das ist das legendäre Personal der Weihnachtsgeschichte. Aber was wird hier eigentlich erzählt? Eine Legende? Ein Märchen? Das fragt sich Bestsellerautorin Felicitas Hoppe im Interview.

Krippe mit der Heiligen Familie / ©  Felix Kästle (dpa)
Krippe mit der Heiligen Familie / © Felix Kästle ( dpa )

"Die Weihnachtsgeschichte hält in ihrem Kern eine Wahrheit bereit, die nur durch die scheinbar märchenhafte Form geleistet werden kann", sagt Felicitas Hoppe. Die Autorin ist davon überzeugt, dass die Geschichte von der Geburt Christi in kein News-Format passt und auch nicht in wissenschaftlicher Diktion formuliert werden kann. Für die Büchnerpreisträgerin ist die Geschichte von der Menschwerdung Gottes die reinste und auch haltbarste Legende überhaupt.

Dabei meint der Begriff Legende für sie etwas sehr Positives, denn nur eine Legende könne den Wahrheitskern einer zeitlos sinngebenden Geschichte ausdrücken, die über das Alltagsgeschäft mit kurzer Halbwertzeit hinausgehe. "Bei der Weihnachtsgeschichte ist es sehr schwer zu sagen, um was es sich da eigentlich handelt?", fragt Hoppe. "Im Grunde genommen sind ja weder Maria noch Josef, wenn ich jetzt vom Legendären ausgehe, besonders spektakuläre Gestalten. Aber in der Erzähltradition, dann noch mit den Heiligen Drei Königen, bewege ich mich schon in einem legendären Raum. Dieser Raum tut hier das, was jede Legende tut, und das hier in extremer Form: dieser Raum der Weihnachtsgeschichte erzeugt Wahrheit."

Das Konzept der Weihnachtsgeschichte ist legendär

Aber was ist hier mit Wahrheit gemeint? Die Wahrheit der alltäglichen Nachrichten sicher nicht. Hier geht es um die Wahrheit und den Sinn des Menschseins. "Die Frage ist doch, mit welchen Mitteln komme ich dem näher, was das Menschliche oder das Göttliche ausmacht und verbindet?", beschreibt die Bestsellerautorin das Problem dem Inhalt der Weihnachtsgeschichte mit erzählerischen Mitteln gerecht zu werden. "Mit naturwissenschaftlichen Annäherungen ist das nicht zu vergleichen. Genau wie die Sache mit dem Stern. Da wird ein Astronom ganz anders darüber sprechen als ein gläubiger Christ." Natürlich sei die Weihnachtsgeschichte im positiven Sinn in den Bereich des Glaubens zu verweisen, denn man könne diese Geschichte ja nicht beweisen, sagt Hoppe.

Gehört diese Art der Geschichtenerzählung nicht der Vergangenheit an oder in die Welt der Kinder? Die Weihnachtsgeschichte – nur ein Märchen, über das erwachsene Menschen schmunzeln? Welche Gültigkeit oder Bedeutung hat diese Legende heute noch? "Es gibt eine Art reflexhaften Gegenbeweis, der die Aktualität und Gültigkeit der Weihnachtsgeschichte in unserer Zeit deutlich macht", beobachtet Felicitas Hoppe. "Das ist die jährliche Weihnachtsausgabe des SPIEGEL. Ich freue mich in jedem Jahr auf die Weihnachtsausgabe der Zeitschrift, weil in jedem Jahr die Weihnachtsgeschichte auf dem Cover ist." Die Gültigkeit zeige sich daran, dass man sich im 21. Jahrhundert offenbar an dieser angeblich nur legendären Geschichte abarbeite. So sei auf dem letzten SPIEGEL-Cover Maria und Josef und das Jesuskind in einem Amazon Paket zu sehen. Maria sage dort: ´Das haben wir nicht bestellt´. Und Josef fragt: ´Können wir ihn umtauschen?´. "Mich begeistert das, weil das eigentlich nur für die Kraft des Originals spricht", schwärmt Hoppe.

Weihnachten führt aus dem Dunklen ins Helle

Das Bedürfnis, das auch hinter der legendären Weihnachtsgeschichte steht, sei ein urmenschliches Bedürfnis, ist die Autorin überzeugt. Der Mensch strebe danach, eine sinnstiftende Verbindung aufzunehmen. Er habe ein Bedürfnis nach Verehrung, nach Nähe und das gelte für alle Zeiten. Wer den Glauben heute belächele, der verweigere sich der menschlichen Realität, sagt Hoppe. "Stellen sie sich doch mal in eine Schlange beim Einkaufen an der Kasse. Was man da sieht, wenn die Menschen ihre Börsen öffnen, ist erstaunlich". Felicitas Hoppe interessiert hier nicht, wie viele Kreditkarten zu sehen sind oder wie viel Geld die Menschen haben. Spannend sei das andere, was dort zu sehen sei: Fotos, kleine Anhänger, Glücksbringer und und und. "Wenn Menschen ihren Talisman verlieren, dann sieht es ganz übel aus. Dann gehen 90 Prozent in eine Prüfung und sagen, ich falle durch, weil ich mein Lieblingstaschentuch verloren habe", hat Hoppe beobachtet.

Die Weihnachtsgeschichte treffe die Seele der Menschen und behalte eine immerwährende Gültigkeit. Felicitas Hoppe empfiehlt, das Lukas Evangelium aufzuschlagen: "Man sollte sich die Weihnachtsgeschichte einfach mal laut vorlesen. Angefangen bei der Herbergssuche, dem nicht-aufgenommen-werden", beschreibt Hoppe auch die Aktualität dieser Geschichte. "Wir haben es hier mit flüchtenden Menschen zu tun. Und dann dieser Glanz der Heiligen Familie, die in der erleuchteten Krippe sitzt. Das ist doch das Ende einer Geschichte, die aus dem Dunkeln ins Helle führt." Das sei heute zwar durch unsere Konsumwelt und durch unsere geschäftige Vorbereitung des Festes ein bisschen verstellt, aber die Gültigkeit habe das - weiß Gott - nicht eingebüßt.


Felicitas Hoppe / © Tobias Bohm (Fischer)
Felicitas Hoppe / © Tobias Bohm ( Fischer )