Wirbel im Wahlkampffinale: Angebliche Zitate von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle über das Atom-Moratorium der Regierung haben am Donnerstag für Hohn und Spott bei der Opposition gesorgt. Beim Bundesverband der Deutschen Industrie soll der FDP-Politiker eingeräumt haben, dass die zeitweilige Abschaltung von Reaktoren ein Manöver vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am Sonntag war. Brüderle und der BDI dementierten.
Die "Süddeutsche Zeitung" hatte aus einem BDI-Protokoll zur Sitzung des Verbandspräsidiums am 14. März zitiert, wo Brüderle zu Gast war. Am gleichen Tag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das dreimonatige Atom-Moratorium verkündet. Auf eine Frage von BDI-Präsident Hans-Peter Keitel wies Brüderle nach dem inzwischen im Internet veröffentlichten Protokoll "erläuternd darauf hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien". Öffentlich hatte die Regierung hingegen mehrfach betont, das Moratorium stehe in keinem Zusammenhang mit den Wahlen.
Die Opposition sieht die Regierung nun entlarvt. "Narrenmund tut Wahrheit kund", sagte der SPD-Vizefraktionschef Ulrich Kelber. Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin meinte, Brüderle habe beim BDI in Anwesenheit von Vertretern der Energiekonzerne RWE und E.ON nur die Wahrheit zu Protokoll gegeben. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, sagte, Brüderle könne angesichts des Protokoll die Äußerung nicht bestreiten.
Der BDI erklärte jedoch, es handele sich um einen Protokollfehler. "Die Äußerung des Bundeswirtschaftsministers ist falsch wiedergegeben worden", erklärte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf. Brüderle selbst berief sich im Bundestag auf dieses Dementi und sagte: "Uns Wahlkampfmanöver vorzuwerfen, ist absurd." Was in der BDI-Sitzung tatsächlich gesagt wurde, gaben allerdings weder Brüderle noch Schnappauf preis.
Opposition will raschen Ausstieg
In der Sache tritt die Diskussion über die Atomkraft weiter auf der Stelle. Wenige Tage vor den Wahlen am Sonntag, bei denen die Abschaltung der Reaktoren ein Topthema ist, präsentierten SPD, Grüne und Linke im Bundestag eigene Pläne für einen raschen Ausstieg. SPD und Grüne peilen einen Zeitraum bis etwa 2017 oder 2018 für eine Abschaltung aller Meiler an, die Linke will sie sofort.
SPD-Energieexperte Rolf Hempelmann sagte, das vor einem halben Jahr von der Regierung verabschiedete Energiekonzept mit Nutzung der Atomkraft bis etwa 2040 sei gescheitert. Die Koalition solle dies eingestehen und gemeinsam mit der Opposition ein neues Konzept erarbeiten.
Die schwarz-gelbe Koalition stemmt sich jedoch gegen rasche Entscheidungen. Brüderle sagte, ein sofortiger Ausstieg aus der Kernkraft wäre unverantwortlich. Die Sicherheitsprüfung während des Moratoriums sei "fair und ergebnisoffen", eine Vorfestlegung gebe es nicht. Eine "Deindustrialisierung" Deutschlands sei aber mit Schwarz-Gelb auch nicht machen, fügte der FDP-Politiker hinzu.
CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs warnte vor steigenden Strompreisen. Zudem seien ohne die Atomkraft die deutschen Klimaschutzziele in Gefahr. Er griff seinerseits die Opposition an: "Die Sache zu Wahlkampfzwecken auszunutzen, ist zynisch und für mich auch abstoßend."
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle entlarvt Kernkraft-Moratorium
Ein Freund des reinen Weines
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle hat nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) das Kernkraft-Moratorium mit den anstehenden Landtagswahlen begründet. Nun ist die Aufregung im politischen Berlin groß.
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