Eine flächendeckende Verteilung von Präservativen sei "sicher nicht der richtige Weg zur Bekämpfung von Aids", schreibt Küng in einem Autorenbeitrag für die in Würzburg erscheinende "Tagespost" am Samstag (17.07.2010). Er könne sich jedoch vorstellen, dass es für Ehepaare, bei denen sich ein Partner infiziert hat, nicht nur erlaubt, sondern geboten sei, ein Kondom zu verwenden. In einer solchen Situation sei nicht Empfängnisverhütung das Ziel, sondern der Schutz des anderen. Dies stehe nicht im Widerspruch zur Enzyklika "Humanae Vitae" (1968).
Auch sei die Abgabe von Kondomen an bestimmte Risikogruppen "moralisch tolerierbar", so der Theologe und Arzt. Dazu zählen für Küng Drogenabhängige oder andere Personen, die in keiner Weise zu sexueller Enthaltsamkeit bereit sind. Dabei handle es sich ähnlich wie bei der Weitergabe von Einweg-Spritzen an Heroinabhängige um "Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit". Küng schreibt, "es wäre wünschenswert, dass diese Klärungen, sofern sie als richtig empfunden werden, auch im universalen Lehramt Niederschlag finden".
Neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit Aids
Zur Begründung verwies der Bischof auf neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit Aids. Heute sei eine HIV-Ansteckung nicht mehr gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Durch antiretrovirale Medikamente, eine entsprechende Ernährung und regelmäßige Untersuchungen könne der Krankheitsverlauf weitgehend unter Kontrolle gebracht werden. Es gebe inzwischen auch HIV-positive Ehepaare, deren Kinderwunsch sich ohne Infektion des Nachwuchses erfüllt habe. Ob für die betroffenen Ehepaare Geschlechtsverkehr verantwortbar sei, müsse letztlich der Arzt sagen. Auch sei die Zustimmung des gesunden Partners Bedingung.
Küng appellierte seinerseits an die Kritiker der Kirche, ihre Haltung zu überdenken. Dass häufiger Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern die Verbreitung der Immunschwäche in hohem Maße vorantreibe, sei eine Tatsache. Auch hätten mehrere unabhängige UN-Aids-Studien nachgewiesen, dass die HIV-Infektion in ganzen Landstrichen besser durch Ermutigung zur Treue als durch Kondomverteilung in den Griff zu bekommen sei. Es sei daher höchste Zeit zu überlegen, ob die Kirche nicht doch recht damit habe, dass Aids nur durch ein ganzheitliches Umdenken im Bereich Sexualität, Ehe und Beziehung zu meistern sei.
Bischof regt kirchliche Kondom-Debatte an
"Differenzierung in Detailfragen"
Der österreichische Bischof Klaus Küng hält eine Weiterentwicklung der katholischen Position zu Kondomen angesichts der Aids-Problematik für geboten. Vor Beginn der Weltaidskonferenz in Wien plädiert der Bischof von Sankt Pölten für eine "Differenzierung in einigen Detailfragen".
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