Die Wirkung des Weltjugendtages sei im Alltag weithin verpufft, sagte Sinus-Studienleiter Carsten Wippermann. Kirche stehe bei Jugendlichen in Konkurrenz mit einer Vielzahl an Sinnangeboten. Dabei fragten heutige Jugendliche ganz konkret, was ihnen persönlich nutze und wo sie ihr Image gegenüber Altersgenossen verbessern könnten.
Für die Studie des Heidelberger Forschungsinstituts "Sinus Sociovision" im Auftrag des "Bundes der Deutschen Katholischen Jugend" (BDKJ) und des Bischöflichen Hilfswerks Misereor wurden Umfragedaten von 2.400 Jugendlichen und 3.100 jungen Erwachsenen ausgewertet. 110 Teilnehmer wurden in intensiven Interviews und mit Hilfe von Tagebüchern über Lebensstil, Mediennutzung und Werthaltungen befragt.
Nur ein Viertel erreichbar
Laut Studie erreichen die katholische Kirche und ihre Jugendorganisationen drei von sieben der von Sinus konstruierten jugendlichen Lebenswelten, nämlich die "traditionellen", die "bürgerlichen" und die "post-materiellen" Jugendlichen. In diesen Milieus lebt etwa ein Viertel aller Jugendlichen. Allerdings werden diese Lebenswelten laut Prognose der Sozialwissenschaftler deutlich kleiner. "Das bedeutet für Kirche und katholische Jugendverbände, dass ihnen noch mehr junge Menschen wegbrechen", so Wippermann.
Mit den von Sinus prognostizierten künftigen Leitmilieus, den dynamischen "Performern" und "Experimentalisten" mit derzeit rund 39 Prozent aller Jugendlichen, haben die katholischen Verbände und Kirche dagegen insgesamt nur sporadischen oder überhaupt keinen Kontakt. Jugendliche aus diesen wachsenden Leitmilieus zeichnen sich laut Sinus durch Pragmatismus, Technologie- und Medienaffinität sowie eine insgesamt lustvolle Lebenseinstellung aus. Dieses Lebenskonzept fänden sie in der katholischen Kirche nicht wieder.
"Eine Herausforderung"
Sprecher von Misereor und BDKJ bezeichneten die Ergebnisse als Herausforderung. Der BDKJ-Vorsitzende Dirk Tänzler sagte im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), die Studie sei der Startschuss für ein intensives Nachdenken über die Formen katholischer Jugendarbeit. "Wir müssen und wollen uns an der Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen orientieren", sagte er. Die Jugendverbände benötigten daher genügend Freiraum und müssten eine eigene Sprache entwickeln können, um die religiösen Bedürfnisse von Jugendlichen zu Wort kommen zu lassen.
Tänzler verwies darauf, dass die Jugendlichen das Internet mittlerweile als wichtigste Kommunikationsform ansähen. Darauf müssten auch die Jugendverbände reagieren, ohne allerdings persönliche Begegnungen in Gruppen und bei Events zu vergessen.
Misereor-Geschäftsführer Thomas Antkowiak betonte, dass das Hilfswerk wegen seiner internationalen Vernetzung der Studie zufolge starkes Interesse und Neugier bei Jugendlichen aus den modernen Milieus wecke. "Wir können jungen Menschen zu Begegnungen zwischen Menschen aus Nord und Süd verhelfen und zeigen, dass sie dabei auch für sich selbst Kompetenzen erwerben können." Auch Tänzler unterstrich, dass die internationale Arbeit in den Jugendverbänden ein wichtiger Schwerpunkt sein müsse.
Vorstellungen in ganz Deutschland
Die Ergebnisse der Studie, die unter dem Titel "Wie ticken Jugendliche" erschienen ist, stellen BDKJ und MISEREOR im April bei fünf Fachtagen in ganz Deutschland vor. Das Studien-Material gibt es beim BDKJ-Bundesverband und bei MISEREOR.
Der BDKJ ist Dachverband von 15 katholischen Kinder- und Jugendverbänden mit rund 650.000 Mitgliedern. Er vertritt ihre politischen, sozialen und kirchlichen Interessen.
MISEREOR ist das Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland für die partnerschaftliche Entwicklungszusammenarbeit in Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien.
Wie Jugendliche ticken - Sinus-Studie von MISEREOR und BDKJ
Spirituell, pragmatisch, flexibel
Trotz Weltjugendtags und Papst-Euphorie hat die Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland eine große Distanz zur katholischen Kirche. Es gebe zwar in allen Jugend-Milieus eine große Sehnsucht nach Spiritualität und Sinnsuche, heißt es in einer am Montag in Köln veröffentlichten Studie. Dabei spielen aber Kirche und feste Glaubenssätze kaum eine Rolle.
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