domradio.de: So lange schon haben die Immerather um ihren Ort gerungen. Hatten sich die Bürger mittlerweile mit dem Umsiedlung abgefunden?
Salentin: Abgefunden in dem Sinne, dass ja kaum noch jemand in Immerath-Alt wohnt und alle haben den Blick nach vorne gerichtet, auch wenn der Sonntag ein sehr schwerer Tag sein wird. Es war schon schwer von unseren Wohnungen Abschied zu nehmen, aber wir wissen kaum, ob wir uns das zutrauen, zumuten können wenn dann auch der Abschied von der Kirche genommen wird und wir dort zum letzten Mal den Gottesdienst haben werden.
domradio.de: Was erwarten Sie da für einen Gottesdienst? Wie wird dieser Tag am Sonntag werden?
Salentin: Das wird ein schwerer Tag werden. Wir machen den Gottesdienst als Abschiedsgottesdienst und laden natürlich die ganze Gemeinde ein von ihrer Kirche Abschied zu nehmen.
domradio.de: Glauben Sie da wird sich auch eine lange angestaute Wut und Trauer bei den Gläubigen entladen?
Salentin: Trauer ja! Wut glaube ich eigentlich nicht mehr. Die ist eigentlich schon verflossen, denn irgendwo hat man ja den Blick nach vorne gerichtet. Man hat abgeschlossen mit der Geschichte Alt-Immerath. Und obwohl es ältere Menschen gibt, die sagen: "Wenn ich dürfte, würde ich sofort, am heutigen Tag wieder zurückgehen in meine alte Wohnung!" Aber die sind ja verkauft. Da ist nichts mehr an Möglichkeiten vorhanden
domradio.de: Was passiert denn mit der Kirche 125 Jahre nach ihrem Bau?
Salentin: Was damit geschieht? Die Kirche ist verkauft worden an RWE Power und sie wird nun aus der religiösen Bestimmung herausgenommen, das heißt entwidmet oder profaniert und gilt danach als Profanbau, so dass sie dann auch in absehbarer Zeit dem Erdboden gleichgemacht werden kann.
domradio.de: Jetzt bereiten Sie diesen letzten Gottesdienst in der Lambertus Kirche vor. Wie kann man das im Gottesdienst aufgreifen? Was wird das für ein Gottesdienst? Gibt es dort spezielle Elemente?
Salentin: Es gibt ein offizielles Element: Das ist die Verlesung, wo die Urkunde vorgetragen wird. Der Bischof hat diese Kirche nun entwidmet, oder wie ich eben sagte, der sakralen Nutzung entzogen. Das ist das Offizielle. Dann wird ganz zum Schluss des Gottesdienstes das ewige Licht ausgeblasen. Wir wollen noch einige andere Symbole nehmen. Wir wollen mit einigen Steinen aus der Außenhaut der Kirche zwei Türme auf den Altar aufbauen, die dann niedergelegt werden im Zuge dieses Gottesdienstes. Diese Steine wollen wir dann auch mitnehmen an den neuen Ort, um sie dort in irgendeiner Weise, im sichtbaren Bereich - sei es beim Grundstein, sei es in einer Kapelle - wieder zu verwenden. So als kleines, sichtbares Andenken an die alte Kirche.
domradio.de: Das heißt Planungen für eine neue Kirche sind schon gemacht?!
Salentin: Für die neue Kapelle in Immerath-Neu ist diese Woche die Bodenplatte gegossen worden. Also soweit hat der Bau schon begonnen.
domradio.de: Jetzt gibt es Spekulationen oder Behauptungen, zum Beispiel vom Fraktionschef der Grünen im NRW Landtag, von Reiner Priggen, dass vieles darauf hindeutet, dass RWE den Tagebau schon vor 2045 aufgeben könnte. Wie haben die Bürger auf die Nachricht reagiert, dass Garzweiler II vielleicht eingestellt wird?
Salentin: Gestern ging das wie eine Bombe durch die Ortschaften. Aber ich habe den Eindruck, die Hauptreaktion heißt: "Macht keine unnötigen Versprechungen, die ja sowieso nicht gehalten werden!" Da sind taktische Spiele, um - ich weiß nicht welche Ziele erreichen zu können - aber für die Bewohner von Immerath und Borschemich ist es sowieso zu spät, so dass da auch weder Hoffnungen geweckt, noch Enttäuschungen groß wurden. Und für die anderen Orte, die stehen auf dem Standpunkt: "Es wäre schön, wenn es stimmen würde!" Aber daran glauben tut keiner.
domradio.de: Gibt es denn nicht Stimmen unter den Immerathern, die sagen: "Ach hätte sich RWE das mal ein paar Jahre früher überlegt, dann könnten wir jetzt noch in unserem alten geliebten Ort wohnen bleiben!"
Salentin: Das ist Spekulation und es ist einfach entschieden. Manch einer wird sicherlich traurig sein und sagen: "Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, ja!" Dann hätte es aber auch schon vor mindestens fünf oder zehn Jahren eine Entscheidung geben müssen. Nicht eine Spekulation. Irgendwo ist jetzt auch der Blick nach vorne. Und ich bin auch ganz froh, dass alle, die für den Gottesdienst eine Aufgabe übernommen haben oder einen kleinen Text sagen werden, dass sie alle auch von der Hoffnung sprechen, dass das Gemeindeleben oder die Atmosphäre, die sie in der alten Gemeinde erfahren haben, am neuen Ort wieder aufleben darf.
Das Interview führte Matthias Friebe.