Röhrende Hirsche und blonde Mägde
Brachiale Männerskulpturen, röhrende Hirsche und blonde, Kinder wiegende Frauen oder Mägde im Dirndl hatten ihren Platz in der "Großen Deutschen Kunstausstellung". Zu sehen gab es all das, was die Nazis für "echte deutsche Kunst" hielten.
Ein Neubau für Ausstellungen in München war nötig geworden, nachdem im Juni 1931 ein Feuer den berühmten Glaspalast zerstört hatte. Das Kultusministerium hatte den Architekten Adolf Abel beauftragt. Und obwohl dessen Entwürfe 1933 schon weit gediehen waren, nahm sich Hitler nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten selbst der Sache an. Er übertrug Paul Troost den Planungsauftrag für ein 75 Meter breites und 175 Meter langes Gebäude aus hellem Stein.
Troost, der zuvor Möbel entworfen und Luxusdampfer des norddeutschen Lloyds ausgestattet hatte, orientierte sich an Karl Friedrich Schinkels in Berlin errichtetem Museum am Lustgarten. Das klassizistische Vorbild monumentalisierte der Architekt nach den Vorgaben des "Führers". Heraus kam ein säulengeschmückter neoklassischer Tempel mit neuester Haustechnik und eine hinter der Naturstein-Fassade bombenfest anmutende Stahlskelett-Konstruktion.
Als Hitler der silberne Hammer zerbrach
Bei der Grundsteinlegung am 15. August 1933 war Hitler beim Klopfen auf den Stein der silberne Hammer gebrochen. Mancher wertete dies schon als böses Omen. Die deutsche Presse verschwieg das Malheur, während sich die englischen Medien ausgiebig darüber lustig machten.
Die Kosten für den Bau von neun Millionen Reichsmark finanzierten deutsche Industrielle, Banken, und Brauereien. August von Finck organisierte eine "Grundsteinstifterspende" in Höhe von zwei Millionen Reichsmark. Der Bayerische Industriellenverband half mit Sachspenden, die bayerischen Elektrizitätswerke lieferten kostenlos Strom. Die Deutsche Reichsbahn schenkte Frachtfreiheit für alle benötigten Baustoffe und Maschinen. Nur 200.000 Reichsmark gab die NSDAP.
Hitler wetterte gegen "Entartete Kunst"
Als Max Beckmann Hitlers Rede zur Eröffnung des Hauses im Radio hörte, war dem Künstler klar, in Deutschland keine Zukunft zu haben. Einige seiner Bilder waren einen Tag später unter jenen, die in der Femeschau "Entartete Kunst" im nahe gelegenen Galeriegebäude am Hofgarten gezeigt wurden. Der "Führer" hatte den Künstlern dieser Werke mit der Entmannung oder dem Transport ins Irrenhaus gedroht, falls sie "weiter wagen sollten, den Himmel statt blau etwa grün oder Wiesen gar blau zu malen".
Von den großen Museen Münchens überstand ausgerechnet der Hitlerbau die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs unversehrt. Die Amerikaner hatten davor keine Scheu und nutzten das Haus als GI-Casino. Weil ihnen "Prinzregentenstraße 1" als Adresse zu kompliziert zum Aussprechen war, wurde daraus "P1", wie noch heute die dortige Nobeldisco heißt. Legendär waren in den 1950-er Jahren auch die Faschingsbälle im Haus der Kunst, wie es inzwischen hieß, mit Tanzmusik von Max Greger und Hugo Strasser.
"Umerziehung" in der Nachkriegszeit
Die demokratische Ära in dem schicksalsträchtigen Haus läutete Peter A. Ade ein. Unter dem Motto der "Umerziehung" wurden altdeutsche Meister und französische Malerei gezeigt. Als Meilenstein gelten die Pablo-Picasso-Retrospektive von 1955 bis hin zur Tutanchamun-Schau 1980. Christoph Vitali holte in den 1990er Jahren die Barnes-Collection nach München und präsentierte in "Die Nacht" Caspar David Friedrich-Gemälde. Mauern trügen keine Schuld, war seine Überzeugung.
Nachfolger Chris Dercon bevorzugte das breite Spektrum künstlerischer Genres. Sein Nachdenken über den historischen Prozess fing mit der Öffnung der Archivs und dem "kritischen Rückbau" des Hauses an. Seit Oktober 2011 ist der Nigerianer Okwui Enwezor neuer Chef, der das Konzept des "reflexiven Museums" in der Gegenwart fortsetzen will. Unterstützung erhält er dafür auch vom Freistaat. Das Kabinett genehmigte erst jüngst eine umfassende Sanierung des Hauses für die nächsten Jahre.
Vor 75 Jahren wurde das Haus der Kunst eröffnet
Röhrende Hirsche und blonde Mägde
Alle Münchner Kirchenglocken läuteten, als am 18. Juli 1937 ein historisches Ereignis anstand. In Anwesenheit von Adolf Hitler wurde am Englischen Garten das einem Tempel gleichende "Haus der Deutschen Kunst" eröffnet. Ein Museum mit wechselhafter Geschichte.
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