Kardinal gegen politischen Schlagabtausch über Staatsleistungen

Verhandlungen ja, Streit nein

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann hat vor einem "politischen Schlagabtausch" über die historisch begründeten Staatsleistungen an die Kirchen gewarnt. Die komplexe Frage müsse gemäß der "Freundschaftsklausel" in den Staat-Kirchen-Verträgen "verhandelt und gelöst" werden, forderte der Mainzer Bischof am Mittwochabend in Magdeburg.

 (DR)

Auf Initiative der Linkenfraktion war es im März in Sachsen-Anhalts Landtag zu einer kontroversen Debatte über die Staat-Kirchen-Verträge gekommen. Dabei ging es auch um die Staatsleistungen, die sich in dem Bundesland auf 30 Millionen Euro jährlich für beide Kirchen zusammen belaufen. Die Staatsleistungen sind vor allem durch die Enteignung von Kirchenbesitz im Jahr 1803 begründet. Bundesweit erhielt die evangelische Kirche im Jahr 2010 Zahlungen von 232 Millionen Euro und die katholische Kirche 169 Millionen Euro aus staatlichen Haushalten. Dies wird in Politik und Gesellschaft immer wieder in Frage gestellt. Die Kirchen hatten in den vergangenen Monaten signalisiert, dass sie zu Verhandlungen bereit sind, zugleich aber Ausgleichszahlungen gefordert.



Unrecht ignoriert

Die Vermögensverluste der Kirche durch die Säkularisationen würden zumeist unterschätzt, "das damit fast immer verübte Unrecht wird heute oft einfach ignoriert", kritisierte Lehmann. Er warnte die Kirchen jedoch davor, allein auf ihre rechtlich verbürgte Stellung zu pochen, wie es leider immer wieder geschehe. "Nur wenn die freiwillige Bindung von Menschen in den Kirchen auch nach außen überzeugender wird, wenn Gläubigkeit wieder ein aktiveres, weltverwandelndes Zeugnis wird und die Kirchen dies alles noch bewusster im Horizont weltweiter Globalisierung wahrnehmen, können die Christen die Kritiker überzeugen." Zugleich müsse die Neutralität des Staates gegenüber der Religion "fördernd und wohlwollend" sein und dürfe "keinesfalls zu einer simplen Entkoppelung führen".



Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz sprach beim Ökumenischen Jahresempfang der Kirchen in Sachsen-Anhalt vor mehr als 200 Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur. In seinem Vortrag nahm er "Zum Verhältnis von Staat und Kirche" Stellung.



Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Detlef Gürth hatte zuvor in einem Grußwort betont, die Kirchen stünden auch vor der Frage, was sie vom Staat annehmen wollten. "Alimentierung schafft Abhängigkeit", betonte der CDU-Politiker. Zugleich dankte er den Christen für ihr vielfältiges Engagement unter anderem in Caritas und Diakonie.



Auch der Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige, rief die Christen auf, die Gesellschaft "dialogbereit und kritisch-konstruktiv mitzugestalten". Angesichts zunehmend religionsfeindlicher Tendenzen in Europa sei er dankbar für die bewährten Leitprinzipien im Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland. Die mitteldeutsche evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann würdigte den Ökumene-Empfang als gewachsene und bewährte Tradition des Miteinanders in Sachsen-Anhalt.