Weihbischof Hans-Jochen Jaschke zu 60 Jahre Bild-Zeitung

"Bleiben Sie kritisch, auch selbstkritisch"

Die Bild-Zeitung aus dem Springer-Verlag wird 60. Der Hamburger katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke kommt nicht nur öfter in der Bild-Zeitung vor, sondern hat sich auch eine Meinung über das Blatt gebildet, wie er im Interview deutlich macht.

Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke (KNA)
Hamburgs Weihbischof Hans-Jochen Jaschke / ( KNA )

KNA: Herr Weihbischof Jaschke, wie oft lesen Sie Bild-Zeitung?

Jaschke: Nicht täglich, aber wenn ich im Flieger unterwegs bin, nehme ich mir immer zuerst die Bild-Zeitung und die anderen großen Tageszeitungen. Ich sehe, dass auch all die anderen feinen Herren zuerst in Bild blättern.



KNA: Sie gehören der Generation der 68er an, für die Bild das Schreckgespenst schlechthin war. War Ihr Verhältnis zu Bild schon immer so entspannt?

Jaschke: Die Anti-Springerkampagne habe ich damals nie so mitgemacht. Aber auch Bild selbst hat ungute Kampagnen angezettelt. Die Zeitung hat sich jedoch stark gebessert. Nach meiner Wahrnehmung hält sich die Zeitung bei Kampagnen eher zurück.



KNA: Was macht die Bild-Zeitung für viele so wichtig?

Jaschke: Sie gibt oft Volkes Stimme wieder und legt den Finger in Wunden, die sonst vielleicht übersehen werden. Wenn Bild mit einem wichtigen Sachverhalt die Öffentlichkeit wachrüttelt, hat das auch Konsequenzen. Ich fand zwar nicht alles gut, was um den Jahreswechsel gelaufen ist und letztlich zum Rücktritt von Bundespräsident Wulff geführt hat. Bild hatte aber im Grunde Recht. Auch die anderen "feinen" Zeitungen haben ja Bild unterstützt.



KNA: Kritiker werfen der Bild-Zeitung unseriöse Recherchepraktiken und ein stark vereinfachtes Weltbild vor. Kann man als Bischof der Bild-Zeitung ein Interview geben?

Jaschke: Bild ist eine Boulevardzeitung, und der Boulevard hat immer die Tendenz, krass und mitunter aufdringlich zu werden. Wenn Persönlichkeitsrechte verletzt werden, wenn Menschen bloßgestellt werden, dann geht das nicht. Ich persönlich habe Bild immer als fair erlebt. Bei Interviews wurde mir der Text immer zur Autorisierung vorgelegt. Als Bischof habe ich die Chance, über Bild eine große Zahl von Menschen zu erreichen. Natürlich muss ich einfach reden. Aber wenn ein Kirchenmann nicht klar, manchmal vielleicht holzschnittartig etwas zu sagen hat, ist er uninteressant.



KNA: Haben Sie sich schon mal über die Zeitung geärgert?

Jaschke: Ich habe nichts Konkretes vor Augen, aber manchmal bringt Bild Schlagzeilen, die nicht so geschmackvoll sind. Und Vieles, was nur eine kleine Nachricht verdient, bringt Bild dann in großen Lettern auf Seite eins.



KNA: Was halten Sie von dem neuen Image, an dem Bild seit einigen Jahren arbeitet?

Jaschke: Es geht nicht nur um das äußere Image, sondern vor allem um den Inhalt. Bild ist politischer und kritischer geworden und informiert, immer in knappen Sätzen. Bild verkürzt die Dinge, aber formuliert so, dass auch der kleine Mann und die kleine Frau es verstehen.



KNA: Die Schlagzeile "Wir sind Papst" nach der Wahl Benedikt XVI. im April 2005 ist fast schon legendär. Wie bewerten Sie das Verhältnis der Zeitung zur katholischen Kirche?

Jaschke: Bild gibt Glauben und Kirche, nicht nur den Katholiken, viel Raum, wohlwollend, sympathisch, oft auch mit menschlichem Touch. Aber Bild ist nicht unkritisch und redet nicht schön, was in der Kirche nicht in Ordnung ist. Bild hat während der Missbrauchskrise immer deutlich den Finger in die Wunden gelegt. Im Hamburg-Teil, der immer ganz vorzüglich über die Stadt und das Umland informiert, gibt es jeden Samstag ein Wort zum Sonntag eines evangelischen und eines katholischen Geistlichen. So bin ich ganz zufrieden mit der Art und Weise, wie Bild der Kirche Raum gibt.



KNA: Seit ein paar Monaten ist das "Bild-Girl" verschwunden - zumindest von Seite eins. Doppelmoral oder echte Umkehr?

Jaschke: Zu Bild gehört Sex, aber in durchaus harmloser Weise. Ich finde es richtig, dass die Frauen sich gegen das Image von Sexobjekten wehren. Gut, Frauen sind im Allgemeinen interessanter, wenn es um die Zurschaustellung von Sex geht. Ich fand es okay, dass das "Bild-Girl" von Seite eins verschwunden ist, aber es war natürlich auch ein Gag, der in die Zeit passte. Wenn man blättert, findet man noch genug Sexgeschichten.



KNA: Die Zeitung ist für viele eine Mischung aus Politik und Klatsch, "Sex and Crime", Klatsch und Tratsch...

Jaschke: Gerade das reizt uns Menschen, denn wir sind nun mal neugierig. In einem gewissen Rahmen habe ich nichts gegen Klatsch und Tratsch. Man darf nur andere nicht schlechtmachen oder blamieren.



KNA: Was wünschen Sie sich von Bild zu deren 60. Geburtstag?

Jaschke: Mein Wunsch an Bild: Bleiben Sie unabhängig, bleiben Sie kritisch, immer auch selbstkritisch! Selbstkritik braucht besonders eine Zeitung, die ein so starkes Gewicht hat. Und vergessen Sie nicht den Humor!



Das Interview führte Sabine Kleyboldt.