Zum 500. Geburtstag ihres berühmtesten Meisterwerks öffnet sich die Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister für den Kitsch: von Poesiealben über Ernie und Bert mit Engelsflügeln bis zum Toilettenpapier. "Geballten Kitsch und Kuriositäten", verspricht Kurator Andreas Henning. Eine eigene Sektion der Schau widmet sich vom 26. Mai bis 26. August den beiden am unteren Bildrand des Gemäldes herumlungernden Engelchen, die in den vergangenen 200 Jahren eine eigene Karriere hingelegt haben.
"Ein Ziel der Ausstellung ist, zu zeigen, dass die global bekannten Engelchen zu einem Gemälde gehören und dass dieses Gemälde in Dresden beheimatet ist", sagt Henning, der auch Konservator für italienische Malerei in der Gemäldegalerie ist. Eigentlich, erklärt er, warteten die beiden Engel auf dem Gemälde, das ursprünglich ein Altarbild war, auf die Messfeier am Altar, um die verwandelte Hostie wieder mit in den Himmel zu nehmen.
Die immense Popularität der Engel könne mit der Vieldeutigkeit ihrer Blicke erklärt werden, sagt der Volkskundler Thomas Leßmann vom Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach. Ihre Erscheinung könne als "nachdenklich, verträumt oder schlicht niedlich" bezeichnet werden, sei aber vor allem gefällig und nicht unbedingt religiös. Das Museum hat rund 600 bis 700 Engelchen-Objekte gesammelt und für die Jubiläumsschau rund 50 davon nach Dresden verliehen, darunter Streichholzschachteln und Kindersocken, Haussegen und Werbeplakate. Auch Kurator Henning konnte einiges beisteuern, denn in seinem Büro steht eine prall gefüllte Vitrine mit Engelchen-Sammlerstücken.
"Wir wollen 500 Jahre erzählen, also wirklich alles"
Aber natürlich nimmt der Kitsch nur einen kleinen Teil der gut 200 Exponate umfassenden Schau ein, so wie die Verselbstständigung der beiden Putten nur einen kleinen Teil der 500-jährigen Geschichte der Sixtina ausmacht. "Wir wollen 500 Jahre erzählen, also wirklich alles", sagt Henning zum Anspruch der Ausstellung.
Museen aus mehreren Ländern haben dafür wertvolle Leihgaben beigesteuert, so die Florentiner Galleria Palatina Raffaels "Donna Velata", die wohl das Modell des Künstlers für sein Marienbildnis zeigt. Briefe aus der Mitte des 18. Jahrhunderts belegen, wie der sächsische Kurfürst und polnische König August III. zwei Jahre lang darum kämpfte, das Bild in seine neue Gemäldegalerie nach Dresden zu holen. Auch werden Henning zufolge noch nie gezeigte Dokumente über das Schicksal der Sixtina zwischen 1939 und 1955 ausgestellt.
Raffael (1483-1520) hatte die "Sixtina" im Auftrag von 1512 von Papst Julius II. gemalt. Er war damals noch keine 30 Jahre alt, jedoch schon auf der Höhe seines Könnens, wie Kunstwissenschaftler behaupten. "Das Überraschende ist, dass das Bild fast 250 Jahre unbekannt geblieben ist", sagt Kurator Henning. Bis 1754 hing es in einer Klosterkirche in Piacenza in der Nähe von Mailand. Über Agenten wurde August III. auf "den Raffael" aufmerksam, den er Henning zufolge unbedingt haben wollte, "um sich mit anderen europäischen Fürstenhäusern messen zu können".
Ab 1800 machten die Romantiker das Bild bekannt
Nur einmal in 268 Jahren hat die Madonna Dresden verlassen: 1945, nachdem sie den Krieg unversehrt überstanden hatte, wurde sie wie die anderen Dresdner Kunstschätze nach Moskau gebracht, 1955 kehrte sie zurück. Zu ihrem 500. Geburtstag verlässt sie ihren Platz in der Gemäldegalerie nun erstmals seit 20 Jahren - für drei Monate zieht sie in den Ausstellungsraum im Erdgeschoss. Dass sie dafür fit genug ist, hat eine neue Untersuchung mit Infrarotkameras belegt, wie der Konservator erzählt. "Sie ist in einem tadellosen Zustand und muss nicht restauriert werden."
Erstmals werde die gesamte Breite der Rezeption des Gemäldes seit seiner Ankunft in Dresden gezeigt, sagt Henning. Das Bild habe sich auch in Dresden erst langsam durchgesetzt, das bekannteste Werk der Gemäldegalerie sei zuerst "Die Heilige Nacht" von Correggio gewesen. Erst ab 1800 sei die Madonna über Literaten, Künstler und Porzellanmaler der Romantik einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden.
Aus Hennings Sicht ist es "ein unglaubliches Privileg" und "eine große Chance für Dresden und Sachsen", Heimat der Sixtinischen Madonna zu sein. Viele der jährlich 500.000 Besucher aus dem In- und Ausland kämen in die Dresdner Gemäldegalerie, um das Bild endlich einmal im Original zu sehen, andere würden zuerst die Engelchen erkennen. "Und dann stehen sie staunend davor."
Kunstsammlungen Dresden widmen Sixtinischer Madonna große Sonderschau
Himmlischer Glanz
Maria hält Jesus im Arm. Unzählige Male haben Künstler diese Szene festgehalten. In Dresden hat ein solches Bild Weltruhm erlangt - die "Sixtinische Madonna" von Raffael. Die Jubiläumsausstellung "Die Sixtinische Madonna - Raffaels Kultbild wird 500" im Zwinger geht dem Phänomen nach.
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