Rom verhandelt nur noch mit Spitze der Piusbrüder

Einigung scheint realistisch

Die letzte und schwierige Entscheidung über Einigung oder Schisma zwischen Rom und den traditionalistischen Piusbrüdern liegt beim Papst. Aber die ihm zuarbeitende Glaubenskongregation hat bei ihrer Sitzung am Mittwoch klare Perspektiven für eine Lösung entwickelt: Die Beratungen mit der Leitung der Priesterbruderschaft St. Pius X. mit dem Generaloberen Bernard Fellay sollen weitergehen.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Und außerdem wird die Situation der drei übrigen Bischöfe der Bruderschaft von diesem Gesprächsprozess getrennt und jeweils einzeln behandelt, wie eine anschließende Vatikanerklärung bestätigt.



Dass Rom die Diskussion mit Fellay fortsetzen will, lässt erkennen, dass man seine Antwort auf die "Lehrmäßige Präambel" vom September 2011 als aussichtsreiche Grundlage betrachtet. Denn der Vatikan hatte zuvor deutlich gemacht, dass der zum Abschluss eineinhalbjähriger Expertengespräche vorgelegte Text endgültig sei und allenfalls formale Änderungen denkbar wären.



Dem Vernehmen nach hat Fellay zur zweiseitigen "Präambel" eine differenzierte Antwort vorgelegt, deren Textlänge das Mehrfache beträgt. Die Kardinals- und Bischofsversammlung der Glaubenskongregation habe diese Antwort nun untersucht, heißt es in dem Vatikan-Kommunique. Und sie habe "Beobachtungen formuliert, die für die weitere Diskussion zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft St. Pius X. berücksichtigt werden sollen".



Die Marschrichtung scheint somit deutlich: Rom betrachtet eine Einigung mit den dialogwilligen Teilen der Piusbrüder als realistisch - und sieht Fellay dafür als vertrauenswürdigen Gesprächspartner. Die drei übrigen 1988 von Erzbischof Marcel Lefebvre illegal geweihten Bischöfe - Bernard Tissier de Mallerais, Alfonso de Gallareta sowie der Holocaustleugner Richard Williamson - haben sich mit ihren unterschiedlich scharf formulierten prinzipiellen Absagen an eine Einigung so sehr ins Abseits manövriert, dass mit ihnen eine Fortsetzung der Einigungsgespräche derzeit nicht sinnvoll erscheint. Zugleich signalisiert Rom, dass man die Gespräche mit der Bruderschaftsleitung dadurch nicht beeinträchtigen lassen will und eine Spaltung der Traditionalisten in Kauf nimmt.



Zwei Risiken birgt dieser Weg aus römischer Sicht freilich: Zum einen ist nicht klar, wie viele von den knapp 900 Priestern der Bruderschaft den drei Hardlinern - oder mindestens einem von ihnen - ins Schisma folgen werden; Beobachter sprechen von rund einem Viertel. Und dann droht, weil es sich um (zwar unerlaubt, aber gültig) geweihte Bischöfe handelt, eine Weitergabe der Apostolischen Nachfolge innerhalb des schismatisch-traditionalistischen Lagers. Gerade das hatte Rom stets vermeiden wollen. Der Hinweis, dass nun jeder der drei Bischöfe als Einzelfall betrachtet wird, ist in diesem Zusammenhang bedeutsam.



Der weitere Dialog mit Fellay wird inhaltlichen Fragen gelten: Anerkennung des kirchlichen Lehramts, einschließlich der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) zu Ökumene, Menschenrechten und Dialog der Religionen. Dann wird man aber auch über Kirchenstrukturen für die mögliche Wiedereingliederung sprechen. Im Gespräch scheint eine Personalprälatur ähnlich dem Opus Dei. Der dem Papst unmittelbar unterstellte "Prälat" - nach derzeitigem Stand Fellay - erhielte dabei Vollmachten ähnlich einem Ortsbischof, und seine Prälatur bekäme bestimmte Sonderrechte und -pflichten.



Die letzte Entscheidung darüber liegt beim Papst, für den die Wiederherstellung der Kircheneinheit ein zentrales Anliegen ist. Um sie zu erreichen, hat er bereits zentrale Hindernisse aus dem Weg geschafft: Er hat dem alten Messritus wieder einen bedeutenderen Rang in der Kirche gegeben, die Exkommunikation gegen die vier Pius-Bischöfe zurückgezogen und - nach dem Williamson-Eklat - einen neuen Sachdialog eingeleitet. Eine Einigung hängt nun freilich auch von Fellay ab.