Studiert hatte Lustiger, der am 7. Mai 1924 im polnischen Bedzin zur Welt kam, indes nie. In den 80er Jahren begann er autodidaktisch als Historiker zu arbeiten, zahlreiche Interviews mit Überlebenden und jüdischen Widerstandskämpfern hat er geführt. Heute gilt er als wichtiger Forscher zur Geschichte des Judentums. Er verfasste unter anderem Standardwerke zum Widerstand der Juden in Deutschland von 1933 bis 1945 sowie zur Situation der sowjetischen Juden unter Stalin.
In der NS-Zeit war Lustiger, der unter anderem Mitglied der sozialistischen jüdischen Arbeiterpartei war, im jüdischen Widerstand aktiv. Unter nationalsozialistischer Herrschaft wurde er deportiert, er überlebte vier Jahre Zwangsarbeit in mehreren Konzentrationslagern. Im März 1945 konnte er auf einem Todesmarsch fliehen. Von US-Soldaten wurde er damals vor dem Erschöpfungstod gerettet.
"Hemmungen, über das Erlebte zu sprechen"
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ er sich zusammen mit seiner Mutter und einer Schwester in Frankfurt am Main nieder, hier gründete er ein Textilunternehmen. Ab 1948 war er am Aufbau der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt beteiligt. Jahre hat Lustiger gebraucht, um über die Schoah und seine Erlebnisse zu sprechen. In Interviews sprach er von der "Überlebensschuld" und den "Hemmungen, über das Erlebte zu sprechen", auch gegenüber den Töchtern. Eine Tochter lebt heute als Schriftstellerin in Israel, die andere ist Malerin in Frankreich.
Dennoch war es sein eigenes Schicksal, das Arno Lustiger dazu bewegte, sich bis ins hohe Alter mit der Geschichte des Holocaust und der Juden zu beschäftigen. Er schrieb über die Juden im Spanischen Bürgerkrieg ebenso wie er sich mit dem jüdischen Stiftungswesen in seiner Wahlheimat Frankfurt beschäftigte. Zahlreiche Auszeichnungen hat er für sein Schaffen erhalten. Unter anderem zeichnete der frühere Bundespräsident Horst Köhler ihn mit dem Bundesverdienstkreuz aus. 2003 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Potsdam.
Lustiger forderte eine Aufarbeitung der Todesmärsche
Mehrere Semester lehrte er zudem als Gastprofessor am Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt zur Geschichte des jüdischen Widerstand im nationalsozialistischen Europa. Im Jahr 2005 hielt er im Bundestag zusammen mit dem Liedermacher Wolf Biermann eine vielbeachtete Rede zum 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Darin wies er vor allem auf die noch fehlende Aufarbeitung der Todesmärsche in der NS-Zeit hin.
Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, würdige Arno Lustiger für seine großen Verdienste um die Forschung über jüdischen Widerstand sowie über nicht-jüdische Helfer, die an der Rettung von Juden im Zweiten Weltkrieg beteiligt waren.
Seine große Lebensleistung sei es, dass er den jüdischen Widerstand in der Zeit der Schoah dem Vergessen entrissen hat, sagte Graumann.
ein Tod kam überraschend. Noch für den 24. August war Lustiger im Eröffnungskonzert "Gedächtnis Buchenwald" zum Weimarer Kunstfest angekündigt. Er sollte dort die Gedenkrede für die Opfer des Nationalsozialismus halten.
Der jüdische Historiker und Publizist Arno Lustiger ist tot
Wichtige Stimme gegen das Vergessen
Noch im zurückliegenden Jahr hatte der jüdische Historiker Arno Lustiger in seinem über 500-seitigen Buch "Rettungswiderstand" den Menschen, die sich im Nationalsozialismus für Juden einsetzten, ein Denkmal gesetzt. Lustiger, der als junger Mann den Holocaust überlebt hat, rückte darin auch die vielen gescheiterten Rettungsversuche in die Erinnerung. Es war das letzte Buch des Frankfurter Publizisten. Am Dienstagabend verstarb Lustiger im Alter von 88 Jahren.
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