Erzbischof Zollitsch zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung

Blick nach vorn

Am Donnerstag ist in Regensburg die Frühjahrsvollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zu Ende gegangen. Im Interview wirft der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, einen Blick nach vorn. Und nennt Themen, denen sich die Kirche in diesem Jahr besonders widmen will.

 (DR)

KNA: Erzbischof Zollitsch, der Dialogprozess innerhalb der katholischen Kirche geht in die nächste Runde - was steht in den nächsten Monaten im Vordergrund?

Zollitsch: Wir wollen die Diakonia, unseren Dienst in der freien Gesellschaft, zum Schwerpunkt machen. Diakonia heißt: Wir haben eine Aufgabe innerhalb der Kirche, uns derer anzunehmen, die Hilfe brauchen. Wir haben aber auch eine Aufgabe in der Gesellschaft, damit sie sozialer und gerechter wird. Und wir haben die Zukunft dieser Gesellschaft in den Blick zu nehmen.



KNA: Was heißt das konkret?

Zollitsch: Denken Sie etwa an die Frage des demografischen Wandels. Wir werden viel mehr ältere Menschen haben. Wir werden zugleich als junge Menschen viel mehr für die Älteren sorgen müssen. Solche Punkte wollen wir aufgreifen, aber auch alle Fragen der Menschenwürde - vom Beginn des Lebens bis zum natürlichen Ende.



KNA: Seit dem Deutschlandbesuch von Papst Benedikt XVI. steht das Stichwort "Entweltlichung" im Raum. Wie stark will oder soll sich Kirche denn überhaupt in der Gesellschaft engagieren?

Zollitsch: Folgendes ist ganz klar: Wir werden im sozialen Bereich weiterhin tätig bleiben - angefangen von der Jugendarbeit bis zur Hilfe für die Alten und Kranken. Wir werden uns aber auch um die Generationengerechtigkeit kümmern. Und wir werden schauen, dass möglichst alle gleiche Bildungschancen haben. Denn Bildung bedeutet, Zukunft zu haben.



KNA: Der Dialogprozess soll ja auch ein Weg aus der Vertrauenskrise sein. Wie weit sind Sie auf diesem Weg?

Zollitsch: Ich glaube: Viele Menschen spüren, dass wir den drängenden Fragen, die sich uns stellen und denen wir uns stellen müssen, auch nachgehen, dass wir aufeinander hören und miteinander einen Weg in die Zukunft suchen. Ich habe gerade zum Dialogprozess viel positive Rückmeldungen bekommen. Der Start in Mannheim im vergangenen Jahr hat mich selber sehr ermutigt. Und wenn mir die Bischöfe sagen: "Die Leute, die von uns in Mannheim dabei waren, die kamen verändert und ganz begeistert zurück", dann sind das doch für mich Zeichen, dass der Dialogprozess immer mehr an Fahrt gewinnt.



KNA: Auf ihrer Vollversammlung haben sich die Bischöfe auch mit dem Nachwuchsmangel in der wissenschaftlichen Theologie beschäftigt. Warum brauchen wir diese Disziplin?

Zollitsch: Einerseits brauchen wir die Theologie für die Ausbildung der Priester, der Pastoral- und Gemeindereferenten. Aber wir wollen auch in den Universitäten präsent sein, weil wir den Dialog mit der Gesellschaft brauchen. Denn die Theologie bringt Dimensionen und Werte in die Gesellschaft ein, die von selbst nicht immer genannt werden...



KNA: ... und die beispielsweise auch in den Medien unterrepräsentiert sind?

Zollitsch: Wir spüren eine gewaltige Evolution im Bereich der Medien. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Medienethik stellt sich die Frage, welche Rolle das Internet künftig spielt. Wie können wir als Kirche, als Theologen, den Menschen helfen, das Internet verantwortungsvoll zu nutzen? Das ist eine neue Aufgabe, die wir haben. Deshalb müssen wir auch schauen, wie wir das schon in den Schulen vermitteln können. Die Menschen sollen nicht zu Knechten dessen werden, was sie in den Medien erleben, sondern sagen können: "Ich als Mensch bestimme, was mich bestimmt."



KNA: Das Stichwort Medien führt unweigerlich auch zur Zukunft des Weltbild-Konzerns. Bleibt es dabei, dass die Bischöfe das Unternehmen verkaufen wollen?

Zollitsch: Der Entschluss steht, dass wir uns von Weltbild trennen, weil wir uns als Kirche nicht in der Lage sehen, ein solch großes Unternehmen zu führen.



KNA: Und wie soll es dann weitergehen?

Zollitsch: Wir suchen eine neue Lösung, die einerseits den Bedürfnissen der Angestellten gerecht wird und zugleich möglichst viel von dem weiterführt, was Weltbild auch an positiven Seiten hat.



KNA: In den kommenden Tagen jährt sich die Atomkatastrophe im japanischen Fukushima zum ersten Mal. Hat die Bevölkerung aus dem Reaktorunglück gelernt?

Zollitsch: Ich glaube, im Bewusstsein der Menschen hat sich vieles verändert, weil alle gespürt haben: Wir dürfen nicht auf Energien setzen, die auf Dauer keine Zukunft haben.



KNA: Und die Kirche? Gibt es schon katholische Solaranlagen?

Zollitsch: Das nicht - aber wir schauen, wie wir etwa den Verbrauch an Energie, den Verbrauch an Strom und Gas, reduzieren. Bei uns im Erzbistum Freiburg etwa haben wir an allen kirchlichen Gebäuden einen Energie-Check durchgeführt, um damit möglichst viel Energie zu sparen. Das ist die effektivste Form, zur Energiewende beizutragen.



Das Interview führte Gottfried Bohl.