Aus Protest gegen die chinesische Herrschaft versuchten sich 24 Tibeter seit 2009 durch Selbstverbrennung das Leben zu nehmen. Im Februar häuften sich die Fälle. Zuletzt zündete sich ein 19-jähriger Mönch am 13. Februar auf einer Straße in der Stadt Ngaba in der Provinz Sichuan an. Offenbar überlebte er schwer verletzt. Eine 18-jährige Nonne starb dagegen am gleichen Tag an den Folgen ihrer Verbrennungen.
"Es ist eine Mischung aus Verzweiflungstat und politischem Protest", sagte Wolfgang Grader, Vorsitzender der Tibet Initiative Deutschland, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Mönche und Nonnen seien "keinesfalls Fanatiker". Im Buddhismus würden Selbsttötungen nicht gutgeheißen. Der Dalai Lama, das geistliche Oberhaupt der Tibeter, befürwortet die Selbstverbrennungen nicht. Allerdings äußerte er wiederholt sein Verständnis für die Geistlichen, die keinen anderen Ausweg sehen.
Für die Geistlichen sei dies die letztmögliche Form des Aufbegehrens für die Freiheit und gleichzeitig ein Ausdruck ihrer Verzweiflung, sagte Grader. "Den bewaffneten Kampf lehnen sie seit spätestens Ende der 80er Jahre ab, auch auf Dringen des Dalai Lamas."
"Zur patriotischen Umerziehung" verschleppt
Die meisten Geistlichen, die sich selbst töteten, lebten in der Provinz Sichuan. Und genau dort verhärtet sich derzeit der Konflikt zwischen den Tibetern und Chinesen, erläutert Grader. Die Provinz, in der viele Tibeter leben, werde von chinesischen Sicherheitskräften belagert. Niemand dürfe einreisen.
Die Menschen unterlägen strengen Verhaltensvorschriften, ihre persönlichen Freiheiten seien stark eingeschränkt: Ihnen werde ein "china-patriotisches" Verhalten aufgezwungen, und es gebe regelmäßig Hausdurchsuchungen. Dies bezeugten Videos, die von Menschenrechtlern aus dem Gebiet geschmuggelt wurden und auf "YouTube" ins Netz gestellt wurden.
Besonders schwierig ist die Situation für die buddhistischen Mönche und Nonnen. In dem Kloster "Kirki" hat die Polizei eine Überwachungsstation eingerichtet, nachdem es im Frühjahr 2011 vor dem Kloster zu einem Volksaufstand gekommen war. Die Polizei ging damals mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vor. 300 Mönche und Nonnen wurden "zur patriotischen Umerziehung" verschleppt. Von vielen habe man nie wieder etwas gehört, sagt Grader.
Die chinesische Regierung weist jede Mitschuld von sich. Die kommunistische Führung beschuldigt eine "Dalai-Lama-Clique", Drahtzieher der Proteste zu sein, um die Nation zu spalten, wie die offizielle chinesische Tageszeitung "China Daily" berichtete. Sicherheitskräfte reagieren auf die Selbstverbrennungen mit Verhaftungen und Gewalt. Nach Augenzeugenberichten löschte die Polizei in einigen Fällen das Feuer an den Geistlichen, um sie danach festzunehmen oder gar mit Schlagstöcken für ihren Protest zu bestrafen.
Gedenken am 10. März
Menschenrechtler warnen davor, dass es im März zu weiteren dramatischen Aktionen kommen könnte. Am 10. März gedenken die Tibeter den Opfern des Aufstands von 1959, als der Dalai Lama flüchtete. Jedes Jahr verstärkt sich in diesem Monat der Protest. Touristen dürfen zu dieser Jahreszeit nicht einreisen.
Die meisten derjenigen Tibeter, die sich selbst angezündet haben, waren noch keine 30 Jahre alt. Drei von ihnen waren Frauen, 13 von ihnen starben nach Informationen von Menschenrechtsgruppen, von elf ist der Zustand unbekannt. Laut dem Tibet-Experten Grader ist dies "eine neue Generation von Widerstandsaktivisten" - politisiert durch die stärkere Präsens der chinesischen Sicherheitskräfte seit den Olympischen Spielen in Peking 2008.
Tibet-Gruppen fordern, dass eine politische Delegation aus dem Ausland Zutritt zu der Provinz Sichuan erhält. Zudem solle die EU einen neutralen Beobachter ernennen, der die Region besuche. Doch dies würde China sehr brüskieren. Und viele Europäer hoffen auf die Hilfe Chinas bei der Lösung der Eurokrise.
Immer mehr tibetische Mönche und Nonnen zünden sich an
Verzweifelter Protest
Eine neue Protestwelle erschüttert die Tibeter: Zwei Dutzend Mönche und Nonnen steckten sich in jüngster Vergangenheit selbst in Brand. Menschenrechtler warnen vor einer Zuspitzung vor dem Jahrestag des Tibet-Aufstands im März.
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