epd: Herr Bergmann, was ist so schlimm an den Produktionsbedingungen in China?
Bergmann: Die Nichtregierungsorganisation "Sacom" in Hongkong, mit der wir zusammenarbeiten, stellt immer wieder massive Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte in China fest. Für Saisonartikel, zum Beispiel Plüschtiere, die in letzter Minute aus Europa bestellt werden, müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter oft bis zu 70 Stunden pro Woche in der Fabrik arbeiten. Überstunden werden nicht genügend bezahlt, der Arbeitsschutz ist unzureichend und die Arbeit gesundheitsschädlich. Diese Konditionen widersprechen auch dem chinesischen Arbeitsrecht.
Wir fragen uns, warum die Auftraggeber bei uns sich nicht darum kümmern, dass die Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu Wirtschaft und Menschenrechten eingehalten werden. Wir waren in diesem Prozess schon mal weiter und hatten größere Hoffnung.
epd: Sie mahnen gerade vor dem Weihnachtsfest und verderben so vielleicht manchem Geschenkeinkäufer die Freude an seinem Präsent. Wollen Sie das?
Bergmann: In der Tat haben wir solche Vorwürfe vor kurzem bei einer Aktion mit dem Nürnberger Christkind gehört. Wir wollen aber, dass der Konsument nachdenkt. Wir wollen, dass die Verbraucher nicht in Gelegenheitskäufe reinrasseln, die ihnen dann nachher leidtun. Beim Geschenkeinkauf sollten die Verbraucher auf die Labels achten und gucken, wo das Spielzeug herkommt.
epd: Aber Ihr Bündnis sagt selbst, dass die Selbstverpflichtung der Spielwarenindustrie zur ethischen Spielwarenproduktion, der ICTI-Care-Prozess, nur ein "Papiertiger" ist. Wie kann der Konsument dann wissen, ob er das Richtige kauft?
Bergmann: Bei der Frage nach Empfehlungen, eiere ich herum. Ich würde sagen, benützen Sie beim Kauf Ihre Nase und schnuppern Sie nach Chemikalien. Was für das Kind beim Spielen ungesund ist, ist sicher auch während der Produktion für den Arbeiter nicht gut. Kaufen Sie nichts, wo sie die Herkunft nicht kennen. Ich würde nicht zum Boykott von chinesischem Spielzeug aufrufen, aber im Sinne der Stärkung der Region, könnte man ja regionale Produkte vorziehen.
Das Interview führte Jutta Olschewski.
Hintergrund
In vielen asiatischen Spielzeugfabriken werden soziale und wirtschaftliche Menschenrechte systematisch verletzt. Betroffen sind vor allem junge Frauen zwischen 18 und 30 Jahren, sie stellen den größten Teil der Belegschaften. besonders wenn die Produktion für das Weihnachtsgeschäft auf Hochtouren läuft, sind die Arbeitszeiten extrem lang - 12 oder gar 14 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Gesetzliche Mindestlöhne werden unterschritten, Arbeitsschutzbestimmungen grob verletzt. Meist gibt es keinen Kündigungs- oder Mutterschutz. Viele Fabrikwohnheime sind in menschenunwürdigem Zustand: All dies verstößt gegen nationale Gesetze und internationale Abkommen. --
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Drei Fragen an Jürgen Bergmann vom Bündnis "Fair Toys"
Schauen, wo das Spielzeug herkommt
Mitten im Einkaufsrummel vor Weihnachten erinnert das Nürnberger Bündnis "Fair Toys" wieder an die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Spielzeugfabriken, die für den Export produzieren. Der Beauftragte der bayerischen evangelischen Landeskirche für den Kirchlichen Entwicklungsdienst, Jürgen Bergmann, sieht keinen Fortschritt beim Thema Nachhaltigkeit und faire Bedingungen bei Spielwaren.
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