Deutschland nimmt 152 Flüchtlinge aus Malta auf

"Die Bundesregierung muss sich einen Ruck geben"

Seit den arabischen Revolutionen kommen immer mehr Flüchtlinge nach Malta. Dort leben die Afrikaner in überfüllten Lagern. Deutschland nimmt jetzt 152 Flüchtlinge auf. Gleichzeitig wird weiter nach Malta abgeschoben. Für Wolfgang Grenz, Generalsekretär der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation, ist das ein fragwürdiger Akt. Deutschland müsse zudem auch Flüchtlinge aus Tunesien und Ägypten aufnehmen.

 (DR)

epd: Deutschland nimmt 152 afrikanische Flüchtlinge auf, die von Nordafrika nach Malta gelangt sind. Im vergangenen Jahr waren es 102. Wie bewerten Sie das?

Grenz: Das ist natürlich zu begrüßen. Die Aufnahme erfolgt ähnlich wie bei einem Resettlement-Programm, wie 2009 bei den 2.501 Irakern, die nicht in Syrien oder Jordanien bleiben konnten. Die Bundesregierung betont immer wieder die Freiwilligkeit der Aufnahme. Im Fall von Malta ist es ein Akt der Solidarität innerhalb der EU, um Flüchtlinge zu verteilen. Das Ganze wird aber fragwürdig, wenn gleichzeitig wieder Flüchtlinge in derselben Zahl nach Malta zurückgeschickt werden, weil Malta das erste EU-Land war, das sie betreten haben.



epd: Im Resettlement-Programm können die Flüchtlinge auf Dauer bleiben?

Grenz: Ja, es ist für Flüchtlinge gedacht, die dort nicht bleiben können, wo sie gerade sind, und keine realistische Chance auf Rückkehr in ihre Heimat haben. Wir fordern, dass sich Deutschland generell bereit erklärt, jährlich eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen in einem Resettlement-Programm aufzunehmen, dann müsste man nicht jedes Mal neu verhandeln. Viele Länder tun das, etwa die USA. Ein Resettlement-Programm ist ein wichtiger Schritt zum Schutz von Flüchtlingen, neben der individuellen Aufnahme von Verfolgten durch Asylverfahren.



epd: Im Zug der arabischen Revolution sind ja auch viele Menschen in Nordafrika gestrandet, die aus anderen afrikanischen Staaten stammen. Was passiert mit ihnen?

Grenz: Wir hoffen, dass sich die Bundesregierung einen Ruck gibt: Seit März appelliert das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) an die EU, Flüchtlinge aufzunehmen, die aus Libyen geflohen und bereits vom UNHCR als Flüchtlinge anerkannt sind. Das sind meistens Leute aus Somalia, Eritrea und Äthiopien, die in Lagern in Tunesien und Ägypten leben. Sie haben dort keine Zukunft. Es sind weniger als 5.000 Menschen. Sicherheitsüberprüfungen stellen sicher, dass keine Terrorverdächtigen darunter sind. Bisher haben sich erst sieben EU-Staaten bereiterklärt, solche Menschen aufzunehmen, darunter Schweden und die Niederlande. Die Bundesregierung lehnt das bisher ab.



Das Interview führten Elvira Treffinger und Natalia Matter.