Am Dienstabend zogen Männer und Frauen aus der ganzen Welt in einer Prozession der Religionen vom Münchner Dom zum Marienplatz und veröffentlichten zum Abschluss einen Friedensappell. Nach zehn Jahren einer Kultur der Gewalt, des Terrorismus und eines entfesselten Kapitalismus "haben wir innegehalten, um in Einfachheit zu beten, aufeinander zu hören und über die Zukunft nachzudenken", heißt es in der Erklärung. "Diese Zusammenkunft zum Gebet und zum Dialog hat uns verändert", heißt es weiter. "Wir können wieder neu lernen, nicht gegeneinander, sondern miteinander zu leben", so die Verfasser des Appells. Als gemeinsames Ziel wird eine Globalisierung der Gerechtigkeit angestrebt.
Eine zentrale Rolle misst der Münchner Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, dabei dem interreligiösen Dialog zu. "Die Menschheitsfamilie ist nicht nur ein Traum, sie ist möglich und umfasst alle Menschen", sagte er. Zugleich beklagte er Tendenzen, sich in einer globalisierten Welt gegenseitig abzugrenzen. Zum Dialog gebe es daher keine Alternative. Vor allem der Dialog mit dem Islam wird nach Ansicht von Marx an Bedeutung gewinnen: "Christen und Muslime müssen Veränderungen gemeinsam in Gang bringen."
Um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, forderte der Sozialethiker "eine soziale Marktwirtschaft auf Weltebene". Diese europäische Ordnung habe sich bewährt und sei bereits im Lissabon-Vertrag verankert. "Europa hat jetzt die Riesenaufgabe der Welt zu zeigen, wie man eine Wirtschaftsordnung schafft, die dem Menschen und dem Gemeinwohl dient", sagte Marx. Außerdem sprach er sich dafür aus, die Finanztransaktionssteuer einzuführen.
"Wir brauchen auch das gemeinsame Fest"
Die Einheit Europas voranzubringen, ist auch für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Gebot der Stunde. Nötig seien länderübergreifende Regeln mit dem Ziel, einen globalen Wohlstand für die sieben Milliarden Menschen auf der Erde zu schaffen, sagte Schäuble bei dem Treffen. "Wir haben Verantwortung für uns und für die Welt", betonte er. Ohne Grenzen und Regeln könne der Mensch nicht leben. Das Streben nach immer mehr Deregulierung der Finanzmärkte sei ein Irrglaube gewesen.
Die Kunst des Zusammenlebens besteht auch für den Gründer der Gemeinschaft Sant"Egidio und Initiator des Treffens, Andrea Riccardi, in der Begegnung als Antwort auf Krisen und Konflikte. Das Friedenstreffen wolle die Praxis des Dialogs auf allen Ebenen anstiften. Es seien nicht nur Diskussionen, Analysen und Erklärungen wichtig, "sondern wir brauchen auch das gemeinsame Fest und die Freude des Zusammenseins", betonte Riccardi. Der interreligiöse Dialog sei nicht allein Aufgabe von Theologen, er dürfe aber auch nicht säkularisiert werden.
Das Internationale Friedenstreffen, an dem am Montag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) teilnahm, stand unter dem Motto "Zusammen leben - unsere Bestimmung. Religionen und Kulturen im Dialog". Zu der Veranstaltung lädt die katholische Gemeinschaft Sant" Egidio seit 1987 jährlich an verschieden Orten ein. Sie will damit den Dialog zwischen den christlichen Konfessionen und den großen Weltreligionen fortführen, den Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren mit dem Weltgebetstag für den Frieden in Assisi 1986 begonnen hatte. Das Friedenstreffen in München mit rund 10.000 Teilnehmern war das zweite in Deutschland nach Aachen im Jahr 2003.
Internationales Friedenstreffen endet mit Aufruf zum Dialog
"Diese Zusammenkunft hat uns verändert"
Gespräche, mitunter heftige Diskussionen, Gebete und Gesang prägten das dreitägige Internationale Friedenstreffen in München. Rund 300 Spitzenvertreter der beiden großen Kirchen, anderer Religionen, aus Politik und Gesellschaft waren zum Treffen der katholischen Gemeinschaft Sant' Egidio gekommen. Eine Bilanz.
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