UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen

Und der Staat schaut zu

Jedes Jahr wird am Tag der Verschwundenen, dem 30. August, weltweit der Menschen gedacht, die plötzlich unauffindbar sind oder verschleppt wurden. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Staat oder Staatsdiener für das sogenannte Verschwindenlassen verantwortlich ist. Oder aber nichts dagegen unternommen hat.

Autor/in:
Anna Mertens
 (DR)

Verschwunden, verschleppt, unauffindbar. Das Phänomen des Verschwindenlassens beschäftigt die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen seit über dreißig Jahren. Nach einer ersten Arbeitsgruppe 1980 dauerte es weitere 23 Jahre, bis mit der Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens begonnen wurde, das die UN-Generalversammlung Ende 2006 verabschiedete. Erst vier Jahre später trat die Konvention gegen das Verschwindenlassen in Kraft, nachdem 20 Länder weltweit den Vertrag ratifiziert hatten.



Im Sinne des Übereinkommens der Vereinten Nationen bedeutet "Verschwindenlassen" eine Festnahme, Freiheitsentzug, oder Freiheitsberaubung durch Staatsdiener oder durch Personen und Gruppen, die vom Staat ermächtigt, unterstützt oder geduldet werden. Darüber hinaus wird die Freiheitsberaubung durch den Staat geleugnet oder sogar aktiv verschleiert.



Verschwindenlassen als weltweites Problem

"Das Verschwindenlassen ist im Vergleich zu anderen Menschenrechtsverletzungen ein besonders schwieriger Fall", sagt Wolfgang Heinz vom Institut für Menschenrechte in Berlin der Nachrichtenagentur dapd. Schließlich sei ein Hauptproblem, dass der Staat selbst involviert sei. "Oft ist Verschwindenlassen eine Alternative zum offiziellen Inhaftieren, aber ohne, dass die Justiz eingreifen kann", erklärt Heinz.



Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht die UN-Konvention heute als zentrales Vertragswerk. "Besonders wichtig ist, dass es eine Gruppe gibt, die überprüft, ob sich die Länder an das Übereinkommen halten", sagt Leonie von Braun, Expertin für internationale Strafgerichtsbarkeit bei Amnesty International. Bei dieser Arbeitsgruppe, der "Working Group on enforced disappearance", können unter anderem individuelle Beschwerden zu möglichen Fällen von Verschwindenlassen eingereicht werden. "Die Arbeitsgruppe nimmt sich dieser umgehend an und geht auf die Regierungen zu", erklärt von Braun.



Umsetzung auch in Deutschland immer noch schleppend

Amnesty International nannte es zugleich sehr bedauerlich, dass die UN-Konvention bislang nur von 29 Ländern weltweit unterzeichnet worden ist. Zudem fordert die Organisation, dass Deutschland nach der Ratifizierung 2009 nun das Phänomen des Verschwindenlassens auch im Strafgesetzbuch aufgreift. "Deutschland sollte hier als gutes Beispiel vorangehen", fordert von Braun.



Das Bundesjustizministerium sieht indes dafür keinen Anlass. "Verschiedene Paragrafen, unter anderem der zur Freiheitsberaubung, decken das Thema ab", entgegnet eine Sprecherin des Justizministeriums.