KNA: Herr Polten, 30 Tage ohne einen Cent in der Tasche durch Deutschland - das klingt nach Survival-Trip a la Rüdiger Nehberg.
Polten: Das war schon eine besondere Aktion. Ich wusste auch nicht, was mich erwartet, und war ganz schön aufgeregt. Am 24. Juni sind wir zu zweit mit dem Zug von Nürnberg nach Erfurt gefahren und einen Tag später von dort aus zu Fuß weiter, ohne Geld, ohne geplante Unterkünfte. Unsere Reise war spirituell motiviert. Sie begann, als die Lübecker Märtyrer seliggesprochen wurden, deswegen hatten wir uns Lübeck als Ziel ausgesucht.
KNA: Warum tun Sie das?
Polten: Es ist Teil unserer Ausbildung bei den Jesuiten. Im ersten Jahr gehen die Novizen 30 Tage pilgern. Der Orden sendet sie dazu aus, mittellos. Es geht darum, sich auf die Fügung Gottes zu verlassen, zu vertrauen, dass da etwas kommt, und das dann dankend anzunehmen.
KNA: Wie sind Sie an Ihr "tägliches Brot" gekommen?
Polten: Durch Betteln. Wir haben Menschen unterwegs gefragt, ob sie etwas Brot und Wasser für uns haben. Das hat in der Regel gut geklappt. Wir waren eigentlich immer mit dem Nötigsten versorgt. Isomatte und Schlafsack hatten wir dabei, aber wir hatten Pech mit dem Wetter, denn es hat viel geregnet. So waren wir froh, wenn wir ein Dach über dem Kopf hatten.
KNA: Mussten Sie auch draußen übernachten?
Polten: Drei Nächte haben wir draußen geschlafen. Wir hatten das Glück, viele Menschen zu treffen, die uns spontan aufnahmen.
KNA: Was haben Sie beim Betteln erlebt?
Polten: Es gab bewegende, herzliche Begegnungen. Wenn wir unser Etappenziel erreicht hatten, war die spannende Frage: Wo kommen wir unter, so durchnässt wie wir sind? Einmal waren wir ziemlich kaputt und kamen in ein Bildungshaus neben einer Kirche, von dem wir gar nichts gewusst hatten. Wir fragten nach Wasser und Brot und eine Frau bot uns ohne weiteres Nachfragen gleich auch eine Übernachtung an.
KNA: Haben Sie preisgegeben, dass Sie "im Auftrag des Herrn" unterwegs sind?
Polten: Wir haben uns als Pilger vorgestellt, das schon. Im Gespräch wollten die Menschen dann oft mehr von uns wissen. Aber wir sind da nicht mit der Tür ins Haus gefallen. Aufgefallen ist uns der starke Zusammenhalt von Christen in der ostdeutschen Diaspora und die hohe Bereitschaft zu praktischer Nächstenliebe. Wir fühlten uns beschenkt. Aber auch die Leute haben uns gesagt, sie fühlen sich beschenkt durch die unerwarteten Gäste, mit denen sie sich über den Glauben austauschen konnten. Zweimal wurden wir sogar gebeten, noch einen Tag länger zu bleiben.
KNA: Sind Sie auch abgewiesen worden?
Polten: Ja. Einmal wurden wir ausgelacht, das war echt hart.
KNA: Für Sie war das ein Experiment auf freiwilliger Basis. Hat das Ihren Blick verändert auf Menschen, die wirklich arm sind?
Polten: Es hat mir eine Ahnung davon gegeben, was es heißt, ausgeliefert zu sein - nur eine Ahnung, denn wenn irgendetwas passiert wäre, hätten wir jederzeit zurück ins Noviziat gekonnt. Betteln zu müssen und auf das Wohlwollen anderer angewiesen zu sein, das verändert aber schon den Blick.
KNA: Was fangen Sie mit dieser Erfahrung an?
Polten: Ich kann mich besser in die Lage von solchen Menschen hineinversetzen, wie sie etwa derzeit millionenfach in Ostafrika auf der Flucht sind. Jetzt kann ich nicht zuschauen, wenn jeden Tag Menschen elend sterben.
KNA: Was tun Sie?
Polten: Wir Novizen haben uns zu einer Initiative entschlossen. Wir stellen uns in die Nürnberger Fußgängerzone, werben um Spenden und erzählen vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst, der seit Jahrzehnten im Grenzgebiet zwischen Somalia und Kenia hilft. Dabei verschenken wir Brot, das uns eine Nürnberger Bäckerei gestiftet hat. "Satt werden und andere satt machen", heißt unser Motto.
Novize pilgert 30 Tage ohne Geld durch Deutschland
"Viele haben uns spontan aufgenommen"
Felix Polten (28) war einen Monat lang quer durch Deutschland unterwegs - zu Fuß und ohne Geld. Los ging es in Lübeck nach der Seligsprechung der Märtyrer. Der junge Mann erzählt von seiner besonderen Pilgerreise.
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