Die Bruderschaft Sankt Christoph feiert ihr 625-jähriges Bestehen

Hilfe in höchster Not

Golfturnier, Galadiner und Gottesdienst: Das ganze Wochenende über hat die Bruderschaft Sankt Christoph im österreichischen Sankt Anton ihr 625-jähriges Bestehen gefeiert. Damit ist sie eine der ältesten ihrer Art.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Und mit über 18.000 Mitgliedern ist diese "Vereinigung christlicher Nächstenliebe" auch eine der größten karitativen Verbände. Was vor mehr als einem halben Jahrtausend mit der Initiative eines gottesfürchtigen Schweinehirten aus Kempten im Allgäu begann, zieht heute Privatleute und Politiker, aber auch gekrönte Häupter und hohe Kirchenvertreter aus aller Herren Länder an.



Spaniens König Juan Carlos zählt ebenso zu den Mitgliedern wie Beatrix, Königin der Niederlande, oder der Bischof von Innsbruck, Manfred Scheuer. Sie alle fasziniert die "Symbiose aus Tradition und Moderne", wie Scheuer es unlängst formulierte. Keimzelle und Herz der Bruderschaft sind heute wie vor 625 Jahren Hospiz und Bruderschaftskapelle, gelegen am knapp 1.800 Meter hohen Arlbergpass. In der unwirtlichen Region an der Grenze zwischen Lechtaler Alpen im Norden und der Verwall-Gruppe im Süden errichtete Heinrich das Findelkind eine Station zur Aufnahme von notleidenden Reisenden.



Seinen Namen hatte Heinrich erhalten, weil er als kleines Kind im knapp 150 Kilometer entfernten Kempten von einem Bauern aufgefunden und großgezogen wurde. Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, machte sich der junge Mann früh auf Schusters Rappen und verdingte sich als Knecht bei einem Adeligen in der Nähe von Sankt Anton. Hier erlebte er immer wieder, wie oben am Arlberg Wanderer bei Schneestürmen oder Lawinenabgängen zu Tode kamen.



1430 bereits 2.000 Mitglieder

Die Zahl der Opfer stieg wohl auch deshalb, weil der Übergang im Hochmittelalter zunehmend von Salz- und Tuchhändlern frequentiert wurde. Ein Grund: Der Arlberg lag rund 250 Meter tiefer als andere Pässe in der Region und hatte deswegen eine kürzere Wintersperre, was die Lieferzeiten und -wege verkürzte. Offenbar aufgrund seiner guten Beziehungen zu den örtlichen Machthabern gelang es Heinrich, Unterstützer für den Bau eines Hospizes an der Passhöhe zu finden.



Der österreichische Herzog Leopold III. (1351-1386) erlaubte schließlich 1385 die Einrichtung der Herberge. Zusammen mit seinem Gehilfen Ulrich Nossek machte sich Heinrich im darauffolgenden Jahr ans Werk. Bereits im ersten Winter konnten die Beiden sieben Menschen das Leben retten. Tag für Tag suchten sie im Bereich der Passhöhe nach verirrten und ermüdeten Wanderern, boten den Betroffen Unterschlupf oder begleiteten sie hinab ins Tal. Die Kunde von den Helfern in der Not machte schnell die Runde bis nach Rom. Papst Bonifatius IX. (1350-1404) setzte einen Gnadenbrief zum Bau einer Kapelle auf.



Mit der Anerkennung wuchs allerdings auch die Arbeit - weswegen Heinrich und seine Mitstreiter sich, ganz nach dem Vorbild moderner Stiftungen, auf die Suche nach Sponsoren machten. Die Männer stießen dabei bis nach Norddeutschland, Polen oder nach Sizilien vor. Auf diese Weise zählte die Vereinigung beim Tod Heinrichs um 1430 bereits 2.000 Mitglieder.



Erst der Niedergang, dann die Wiedergründung

Die folgenden Jahrhunderte bescherten der Bruderschaft einen stetigen Zulauf. Ein Höhepunkt war die Zeit des Konstanzer Konzils 1414 bis 1418, als "die strass über disen Arlperg am maisten ist befarn worden" - von Abordnungen aus Rom und Konstantinopel. Auch der wirtschaftliche Aufschwung nach dem 30-Jährigen Krieg brachte dem Arlberg einen Zustrom an Reisenden - und der Bruderschaft neue Mitglieder.



Der Niedergang setzte mit der Aufhebung der Bruderschaft 1783 durch Kaiser Josef II. (1741-1790) sowie der verkehrstechnischen Erschließung der Alpen ein. Fortan konnte man den Pass umfahren - oder per Eisenbahn unterqueren. Als dann auch noch Kappelle und Hospiz 1957 bis auf die Grundmauern niederbrannten, schien das Ende gekommen. Doch die Anziehungskraft der geschichtsträchtigen Vereinigung war stärker. Und so kam es nur vier Jahre später, am 3. Oktober 1961, zur Wiedergründung. Damals wie heute helfen die Mitglieder Menschen in Not, unter der Schutzherrschaft von Sankt Christophorus, dem Patron der Reisenden.