Weltweit erster Gottesdienst in der Luft vor 75 Jahren

Ein tollkühner Missionar in fliegender Kiste

Klar, dass diese Messe ohne brennende Kerzen gelesen werden musste. Zu hoch die Explosionsgefahr.

Autor/in:
Christoph Arens
Der "Fliegende Pater" Paul Schulte (m.) feiert Wiedersehen mit zwei französischen Missionaren - Schulte rettete sie 1938 aus der Arktis (KNA)
Der "Fliegende Pater" Paul Schulte (m.) feiert Wiedersehen mit zwei französischen Missionaren - Schulte rettete sie 1938 aus der Arktis / ( KNA )

Denn der Ort, an dem Pater Paul Schulte (1895-1974) am 8. Mai 1936 den Gottesdienst im Beisein der Weltpresse feierte, war der Zeppelin "Hindenburg" auf seiner ersten Nordamerikafahrt. Vor genau 75 Jahren leitete der "fliegende Pater" damit die weltweit erste Messe in der Luft. Und das fast auf den Tag genau ein Jahr bevor das Luftfahrzeug bei der Landung im US-amerikanischen Lakehurst zerstört wurde, weil sich die Wasserstofffüllung entzündete.

"Gott muss mit am Steuer sein"
Der in Magdeburg als Sohn eine Dampfpflugbesitzers geborene Schulte, der dem Oblatenorden angehörte, war sich der historischen Bedeutung der Feier bewusst: "Ich werde diese heilige Messe feiern für alle Völker", sagte er hochgestimmt in seiner Predigt zwischen Himmel und Atlantik. "Gott muss mit am Steuer sein, damit wir nicht nur glücklich nach New York, sondern auch glücklich über den Ozean des Lebens gelangen." Und der amerikanische Weihbischof Fulton J. Sheen schlug einen Bogen über die gesamte Kirchengeschichte: Die erste Messe zu Lande habe Jesus gefeiert. Die erste Messe auf dem Wasser habe wohl einer der Apostel gehalten. "Und dann haben wir 1900 Jahre warten müssen, bis die erste heilige Messe in der Luft gefeiert wurde", zitiert ihn ein Mitte der 80er Jahre erschienenes Buch über den fliegenden Pater.

Schulte, der mit 18 Jahren in den Orden eintrat, verdankte seinen Beinamen allerdings nicht nur diesem historischen Ereignis. Schon im Ersten Weltkrieg hatte er seine Leidenschaft fürs Fliegen entdeckt und wurde als Flieger ausgebildet. Im Geheimen machte er 1926 den Flugschein, erhielt aber zunächst von seinen Vorgesetzten ein Flugverbot. Den Durchbruch brachte dann ein trauriges Ereignis: Sein Freund, Pater Otto Fuhrmann, der als Missionar in Namibia tätig war, starb an Malaria, weil geeignete Transportmittel fehlten. Das war für Schulte der Anlass, eine Vereinigung zu gründen, um Missionare in aller Welt mit Fahrzeugen und Funktechnik auszustatten.

Unterstützung kam von Papst Pius XI. persönlich.

1927 hob der Pater in Köln die "Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft" (MIVAG) aus der Taufe, deren erster Vorsitzender Oberbürgermeister Konrad Adenauer wurde. Unterstützung für sein Projekt erhielt er schließlich sogar von Papst Pius XI. persönlich.

Schultes Leben blieb abenteuerlich. Sein Ziel: "Wir müssen und wollen alle Mittel der Technik anwenden, um den Namen Gottes in den Menschenherzen zu festigen." Ab 1936 war er deshalb als Missionar für Eskimos in der Eismission in Kanada tätig. Als er der Spionage verdächtigt wurde, zog er sich in die USA zurück, wo er eine Fliegerschule ins Leben rief. Als er 1949 nach Deutschland zurückkehrte, gründete er die MIVA im Rahmen des Bonifatiuswerks neu - jetzt mit dem Ziel, die Seelsorger in den deutschen Gebieten mit katholischer Minderheit mit Fahrzeugen auszustatten. In 20 Jahren unter seiner Leitung vermittelte die Diaspora-MIVA 263 Kleinbusse, 1.427 Personenwagen, 610 Motorräder, 410 Mopeds und 252 Fahrräder in einem Gesamtwert von 15,7 Millionen D-Mark. Schulte starb am 7.  Januar 1974 in Namibia.

Kein Zweifel: Der Missionar hatte einen ausgeprägten Sinn für PR und Öffentlichkeitsarbeit. Zugleich zeigte er strategisches Denken. Dass er es schaffte, im prestigeträchtigen Luftschiff "Hindenburg" eine Messe zu feiern, verdankte er seinen guten Kontakten zum Vorsitzenden der Zeppelin-Reederei, Hugo Eckener. Die Nazi-Herrscher, so schrieb der Pater später, seien wütend gewesen, als sie von dem symbolträchtigen Ereignis erfuhren. "Aber sie konnten nur die Faust in der Tasche ballen." Der fliegende Pater war ja durch den ersten Gottesdienst in einem Zeppelin weltweit bekannt geworden. Da konnte man ihm nichts antun.