domradio.de: Verstehen Sie das, dass der Zentralrat nicht mit den beiden umstrittenen Vertriebenen-Funktionären Arnold Tölg und Harmut Saenger zusammenarbeiten will?
Jaschke: Ich kann noch mal versichern, wie sehr ich es bedauere, dass diese Entscheidung jetzt gefällt worden ist. Ich hoffe, dass sie vorläufig bleibt. Natürlich verstehe ich Bitterkeit und Empörung. Aber ich sage auch: Wir müssen doch hier mit Augenmaß die ganzen Dinge sehen! Bei beiden Personen geht es um Vertreter der ordentlichen Stiftungsratmitglieder. Und ich sage: Lasst doch mal den Stiftungsrat mit seiner Arbeit beginnen, der Stiftungsrat muss unabhängig sein. Wir haben klare Mehrheiten in diesem Stiftungsrat. Wir haben eine klare Satzung mit den Zielen unserer Arbeit. Dann möchte ich mal sehen, dass wir uns in der Arbeit bewähren und Vertrauen gewinnen.
domradio.de: War die Berufung der beiden Vertriebenen-Vertreter denn nicht eine bewusste Provokation?
Jaschke: Das kann und will ich nicht beurteilen. Ich glaube nicht, dass der BDV provozieren will.
domradio.de: Angenommen den Zentralrat bleibt bei seiner Position: Macht die Stiftungsarbeit überhaupt Sinn ohne die Beteiligung der Juden?
Jaschke: Für mich ist es ganz wichtig, dass die Juden beteiligt sind. Wie können wir über Flucht, Vertreibung, Versöhnung reden, ohne dass wir die schrecklichen jüdischen Schicksale mit im Blick haben? Gerade bei der Versöhnung müssen die Juden unbedingt dabei sein. Wie auch die Polen und die Tschechen. Wir sollten die Stiftung jetzt nicht weiter in das politische Gerangel hineinziehen. Die Stiftung muss endlich anfangen, klar und ruhig zu arbeiten. Das hat sie ja auch schon getan.
domradio.de: Sollten die Kirchen nicht Solidarität mit dem Zentralrat üben und sagen: Wenn die nicht mehr mitmachen, dann steigen wir auch aus?
Jaschke: Ich habe den Eindruck, dass die Entscheidung des Zentralrats auch natürlich politischen Kontexten verpflichtet ist, die beim Zentralrat der Juden in Deutschland gerade bestehen. Die Kirchen rufen zum Frieden auf. Und die Kirchen möchten, dass die Stiftung wirklich in einer friedlichen Phase mit ihrer Arbeit beginnen kann. Wir werden dafür sorgen, dass die Tür offen gehalten bleibt. Und wir werden sehr aufmerksam dafür sein, dass der Stiftungsrat seiner Aufgabe gerecht wird und dass es nicht weiter zu Polarisierungen kommt.
domradio.de: Stimmen Sie denjenigen zu, die die Bundesregierung auffordern, jetzt die Abberufung der beiden Funktionäre einzuleiten?
Jaschke: Rein satzungsmäßig ist es offenbar so, dass das Parlament den ganzen Stiftungsrat beruft und auch die Vertreter. Ich meine auch, man sollte jetzt nicht überreagieren und ein Eingreifen der Regierung jetzt fordern. Das halte ich für eine Reaktion, die das Ganze jetzt erst recht verschärfen würde
domradio.de: Am 25. Oktober steht ja die konstituierende Sitzung des Stiftungsrats an. Haben Sie die Hoffnung, dass die Unstimmigkeiten bis dahin beigelegt werden können? - was denken Sie - wie wird es jetzt weitergehen? Wie optimistisch sind Sie, dass der Zentralart in die Stiftung zurückkehren wird?
Jaschke: Das kann ich nicht prophezeien. Die Juden haben ja angekündigt, sie lassen bis auf weiteres ihre Mitarbeit ruhen. Ich glaube kaum, dass schon im Oktober der Zeitpunkt gekommen ist, dass die Ruhe dann wieder in aktive Mitarbeit umgewandelt wird. Aber wir werden sehen im Stiftungsrat, dass wir ordentlich arbeiten - und dass es nicht zu Polarisierungen kommt. Das war auch bisher nicht der Fall. Deswegen verstehe ich auch die große öffentliche Aufregung nicht so sehr. Noch mal: Mein Hauptziel ist, dass diese Stiftung unabhängig sein muss; sie muss der Wahrheitsfindung dienen, nur durch Wahrheit kann die Erinnerung geheilt werden. Und Versöhnung kann auch nur wachsen ohne Druck von außen.
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.
Katholische Kirche will Streit um Vertriebenen-Stiftung schlichten
"Gerade bei Versöhnung müssen Juden dabei sein"
Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke bedauert die Entscheidung des Zentralrats der Juden, die Mitarbeit in der Vertriebenen-Stiftung vorerst einzustellen. Im Interview mit domradio.de kündigt der Vertreter der katholischen Kirche im Rat an, sich für eine Versöhnung einzusetzen. Gleichzeitig warnt er vor weiteren Polarisierungen.
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