Das Theaterprojekt ist Auftakt einer deutsch-palästinensischen Kooperation, bei der erstmals die Folkwang Universität der Künste und die Drama Academy in Ramallah zusammenarbeiten. Die im Oktober 2009 gegründete Akademie ist die erste Schauspielschule mit akademischer Ausrichtung im Westjordanland.
Schon länger habe es die Idee gegeben, eine Schauspielschule in Palästina zu gründen, erläutert Adewale Teodros Adebisi von der Folkwang-Universität, der beim deutschen Part des Theaterprojekts Regie führt. "Der gesamte Bereich der Kultur wurde dort in den vergangenen Jahren von offizieller Seite vernachlässigt. Dabei hat der kulturelle Hintergrund, der künstlerische Ausdruck einer Gesellschaft große Bedeutung für den Dialog und Versöhnungsprozess, für die demokratische Entwicklung in einer noch immer sehr zerrissenen Gesellschaft."
In Ramallah gibt es zwar kleinere Theater wie das Al Kasaba-Theater sowie private Schauspiel-Gruppen, die unter sehr schwierigen Bedingungen arbeiten. Für junge Palästinenser, die eine professionelle Schauspielausbildung absolvieren wollen, gab es bisher aber nur den Weg ins Ausland: nach Ägypten, Jordanien, Syrien oder auch nach Westeuropa. Mit der Eröffnung der Drama Academy in Ramallah haben Palästinenser nun erstmals die Möglichkeit, im eigenen Land eine qualifizierte Schauspiel-Ausbildung zu machen.
Partner auf deutscher Seite bei diesem Hochschulprojekt sind die Folkwang-Universität in Essen und die 1996 gegründete Stiftung Mercator. Auf palästinensischer Seite beteiligt sich das Al Kasaba-Theater in Ramallah. Möglich machte die Zusammenarbeit auch das Auswärtige Amt in Berlin im Rahmen der Bundesinitiative "Zukunft für Palästina". Jährlich vergibt die Drama Academy nun 15 Studienplätze.
Erstes gemeinsames Projekt
Das "Antigone"-Projekt ist das erste gemeinsame Projekt von Folkwang-Studenten und der ersten Schauspiel-Klasse an der Akademie in Ramallah. Dafür wurde bewusst ein Stück gewählt, in dem ethische Grundsatzfragen im Vordergrund stehen. Der griechische Dichter Sophokles schrieb um 442 v. Chr. das Drama um die Königstochter Antigone. Im Konflikt mit ihrem Onkel Kreon, dem tyrannischen Herrscher von Theben, steht sie konsequent für ihre Überzeugungen ein, die sie im Einklang mit dem Willen der Götter sieht.
Regisseur Adebisi: "Es geht letztlich um die Auseinandersetzung zwischen einer autoritär auftretenden Staatsmacht, die ihr Gesetz für das höchste ansieht, und dem Anspruch des individuellen Gewissens, der sich aus ethischen und religiösen Überzeugungen des Einzelnen herleitet." Es sei spannend zu sehen, wie dieser Konflikt aus deutscher und palästinensischer Perspektive unterschiedlich gedeutet und für die Bühne umgesetzt werde.
Mehr als Krieg, Terror, Gewalt
Deutsche und palästinensische Studenten sollen im Rahmen des Projekts miteinander in Dialog treten und den jeweiligen Blickwinkel erweitern. "Wesentlich ist gerade aus deutscher Sicht, dass wir unsere Wahrnehmung Palästinas verändern", so Adebisi. "Palästina ist nicht nur gleichzusetzen mit Krieg, Terror, Gewalt."
Es gebe auch andere Aspekte in der Gesellschaft. So nähmen dort sehr viele Menschen unter schwierigsten Bedingungen aktiv am kulturellen Leben teil. Auf diese positiven Ansätze, die langfristig Impulse für Dialog und Versöhnung in der palästinensischen Gesellschaft bringen können, will das Theaterprojekt den Blick lenken.
Deutsch-palästinensische Theaterprojekt
Versöhnung durch Kultur
Das Schauspiel Bochum war am Freitag Ort einer ungewöhnlichen Premiere: Sophokles' antikes Drama "Antigone" - erst in deutscher Fassung und gleich anschließend in einer arabischen Version mit deutschen Untertiteln. Am Dienstag wird das Stück nun im Al Kasaba-Theater in Ramallah aufgeführt.
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