Einzigartiges Brauchtum geht ins 16. Jahrhundert zurück

Sternsinger am Großglockner

Wer als Bursche in Heiligenblut am Fuße des Großglockners singen kann oder ein Blasinstrument spielt, kommt um einen mehr als 400 Jahre alten einzigartigen Brauch nicht herum: die Nacht der Sternsinger vom 5. auf den 6. Januar. Gleich nach der nachmittäglichen Segnungsmesse in der Dorfkirche schwärmen rund 130 Männer aus, um die frohe Botschaft singend sämtlichen Dorfbewohnern zu überbringen und ihnen ein gutes neues Jahr zu wünschen.

Autor/in:
Carola Renzikowski
 (DR)


Kein Bergbauernhof wird dabei ausgelassen. "Jetzt derma erst singa, dann geht's los", drängt Toni seine Rotte, wie die Männergruppen heißen, oben in der Rossbachklause in 1.750 Meter Höhe. Nach einer kurzen Stärkung geht es raus in die Kälte. Noch einmal dreht der Sternträger den hell erleuchteten Stern, die Sänger und Bläser stehen beisammen und singen ein Danklied für die Wirtsleute. Dann schlittern die Gestalten in hellgrauen Lodenumhängen und Filzhüten samt ihrer Stöcke über das letzte Stück Piste vom Skigebiet.

Zusätzlich zum zwölfzackigen Stern trägt jeder zweite Sternsinger eine kunstvoll bemalte Laterne. "Wir haben die längste Wegstrecke, dafür weniger Hausnummern als die anderen Rotten, die weiter unten im Tal sind", erklärt Klarinettist Valentin die feste Einteilung der Gebiete. 35 Häuser und Höfe liegen in dieser Nacht vor ihm und seinen Gefährten. Schon jetzt schwärmt er von dem Aufstieg zur Gippa-Kapelle, die er als absolute Sehenswürdigkeit preist. Auch dort wird gesungen, klar. Angepeilt ist dieser Höhepunkt gegen 5 Uhr in der Früh. Es wird schnell klar, warum die Sternsinger ihre Zeit
brauchen: Die Wirtsleute und Bewohner der besuchten Höfe meinen es gut mit ihnen.

Bis 8 Uhr in der Früh´ alle Häuser besucht
Für die Familie Wallner etwa ist es eine Ehre, die Sternsinger zu bewirten "Das bringt Glück fürs neue Jahr!" "Einiloassn" heißt diese Tradition. Eine Familie aus Norddeutschland kommt schon seit 20 Jahren auch deshalb auf die Tauernalm: "Ich finde es toll, wie dieses Brauchtum weitergetragen wird", schwärmt die Frau und lauscht begeistert Musik und Gesang der Männer, die um die beiden Tische mit dampfender Nudelsuppe sitzen.

Doch der Obmann treibt unerbittlich zu Eile an - bis 8 Uhr morgens, wenn auch die richtigen Sterne nicht mehr am Himmel zu sehen sind, müssen alle Häuser besucht sein. Und die Bewohner erwarten ihre Sternsinger: Kaum sind sie in Sichtweite der Häuser, werden die dicken Jacken angezogen und die Haustüren geöffnet. Die Kinder haben besonderen Grund zur Freude: Bei jedem festen Händedruck mit Neujahrsgruß wechselt auch etwas Süßes die Besitzer.

Keine Nachwuchssorgen
Selbst wo das "Einiloassn" nicht Tradition hat, wird den Brauchtumsträgern etwas mit auf den Weg gegeben: mal ein Schnaps, mal ein Krapfen, mal ein Glas Bowle. Nachwuchssorgen kennt die Rotte nicht, im Gegenteil. Die Jüngsten sind 17 Jahre alt und laufen nicht zum ersten Mal mit. Nur der Sternträger feiert sein Debüt: Vier Jahre lang hat er auf den Posten gewartet.

Kopf einziehen heißt es beim Unterwegscheider Hof aus dem Jahre 1627. Es ist der älteste Hof im Tal. Man hat das Gefühl, eine Zeitreise zu machen. Die Decke über der ehemaligen Feuerstelle ist rußgeschwärzt. Die beiden Stuben sind urgemütlich - und natürlich ist hier die nächste Einkehr gebucht. Wie immer sitzen Sänger und Bläser an getrennten Tischen. Auch die Getränke unterscheiden sich: "Rotwein für die Stimme und Radler für die Instrumentalisten, das war schon immer so", sagt Simon, der seine acht Kilo schwere Basstuba von Hof zu Hof trägt.

Höhepunkt im Jahr
Die Gastgeber Veronika und Luis Kreuzer sind vor 40 Jahren nach Heiligenblut gezogen und haben den Hof des damaligen Rottenobmanns gekauft. Seitdem freuen sie sich jedes Jahr auf diesen Höhepunkt im Jahr: "Ich liebe diesen Brauch, weil er so ursprünglich ist", bekennt die Gastwirtin. Die Lieder singt sie längst alle mit.

Zwar ist der Brauch fest in Männerhand, während der Kriegsjahre sollen aber auch die zu Hause gebliebenen Frauen von Hof zu Hof gezogen sein, um die Tradition fortleben zu lassen. Das erzählt Ernst, während er wieder durch die kalte Nacht stapft. Der Schnee knirscht unter den Füßen. Nach vielen Straßenmetern geht es plötzlich steil durch den Wald nach unten - eine Abkürzung, um den Zeitplan einzuhalten.

Vier Häuser später führt der Weg durch den tiefen Schnee übers freie Feld. Weit unten leuchten die Häuser von Heiligenblut, über dem Tal thront der mächtige Großglockner - kein Wunder, dass die Untertauerner ihre Route lieben.