Stirnrunzelnd konstatiert der Publizist Andres Oppenheimer, es sei geradezu Mode geworden, nach Kuba zu reisen. Wie viele Kubakritiker in den USA ist er befremdet darüber, dass Kuba neuerdings aus der diplomatischen Verbannung der vergangenen Jahrzehnte ausbricht. Noch unter Fidel Castro konzentrierten sich Kubas Außenbeziehungen auf Staaten, die als ideologische Bündnispartner galten, allen voran Venezuela. Doch um Revolutionsführer Fidel Castro, der 2006 schwer erkrankte, ist es auffällig still geworden.
Umso mehr wirbelt sein Bruder und Amtsnachfolger Raúl Castro im internationalen Rampenlicht. Dabei zeigt er außenpolitischen Pragmatismus. "Diversifizierung ist ihm wichtiger als die ideologische Brüderschaft", urteilt der Kuba-Experte Bert Hoffmann vom Lateinamerika-Institut in Hamburg.
"Raúl Castro sucht erkennbar Bündnisse in ganz Lateinamerika"
Kubas neue Charme-Offensive zielt vor allem auf die Nachbarn. "Raúl Castro sucht erkennbar Bündnisse in ganz Lateinamerika", sagt Kubaforscher Hoffmann. Einen ersten Erfolg verbuchte Castro im Dezember. Nach einem auffällig kurzen Trip ins linke Venezuela führte ihn sein erster Staatsbesuch nach Brasilien. Dort wurde Kuba in die Rio-Gruppe aufgenommen, einem losen Bündnis von nunmehr 22 Staaten. Es ist der erste Beitritt Kubas zu einem regionalen Forum seit seinem Ausschluss aus der Organisation Amerikanischer Staaten 1962.
Die Rio-Gruppe rief die OAS auch dazu auf, das seit 1962 bestehende Handelsembargo gegen Kuba aufzuheben. Der Ruf ist so alt wie erfolglos. Doch dank Raúl Castros neuem Lateinamerika-Netz kommt zumindest Bewegung in die eingefrorenen Beziehungen zwischen Havanna und Washington. Schlüsselfigur ist Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der einzige lateinamerikanische Staatschef, der zu Washington und Havanna gute Kontakte pflegt. Er bot sich dem künftigen US-Präsidenten Barack Obama selbstbewusst als Vermittler an.
Erwartungen an Washington
Von der neuen Regierung in Washington wird eine andere Kuba-Politik erwartet. Hillary Clinton, designierte US-Außenministerin, kündigte bereits eine Lockerung des Embargos an. Zugleich stellte sie aber klar, dass ein weiteres Entgegenkommen der USA voraussetze, dass es in Kuba Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte gebe.
Die Menschenrechte bleiben der Stolperstein bei Kubas Rückkehr in die Staatengemeinschaft. Präsident Raúl Castro unterzeichnete zwar im Februar 2008 zwei zentrale UN-Abkommen. Aber die Verfolgung politisch Andersdenkender hält an. Derzeit sind nach Schätzung unabhängiger Stellen auf der Karibik-Insel 207 Menschen aus politischen Gründen in Haft, nur zwölf weniger als ein Jahr zuvor.
Kubas Regierung bemüht sich offensichtlich, die Repression weniger auffällig als früher zu betreiben. Dies wird vor allem dann praktiziert, wenn sich ausländische Staatsgäste ankündigen. Vor wenigen Tagen hat die Polizei vier Oppositionelle vorübergehend festgenommen und tagelang verhört. Ihr Vergehen: Sie hatten ein Treffen mit Argentiniens Präsidentin Kirchner gefordert.
Havanna bemüht sich um bessere Beziehungen zu Nachbarstaaten und hofft auf Obama
Kuba sucht Anschluss
In kommunistisch regierten Kuba geben sich ausländische Staatschefs derzeit die Türklinke in die Hand. Für Sonntag hat sich Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner in Havanna angesagt, kurz darauf werden die Staatsoberhäupter von Chile und Honduras erwartet. In den vergangenen Wochen empfing Kubas Präsident Raúl Castro bereits die Staatschefs aus Brasilien, China, Russland, Panama und Ecuador. Havanna will offenbar seine Isolation überwinden, vor allem in Lateinamerika.
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