Der heilige Paulus ist bei seinem "Damaskus-Erlebnis" nicht nur vom Pferd, sondern auch sichtlich in ein neues Leben gestürzt - beispielhaft für das Zeitalter zwischen Renaissance und Barock, erläutert die Direktorin. Der Begriff "Manierismus" stammt aus dem Italienischen und heißt hier soviel wie individueller Stil des Künstlers. Mit der neuen Ausstellung werde erstmals ein europäisches Gesamtbild der Epoche präsentiert, das es so noch nie zuvor gegeben habe. Die aus mehr als 100 Gemälden, Zeichnungen, Druckgraphiken und Skulpturen bestehende Schau basiert auf Leihgaben des Museums der Bildenden Künste in Budapest.
Das 16. Jahrhundert war geprägt von Reformation und Gegenreformation, Religions- und Freiheitskriegen, naturwissenschaftlichen Entdeckungen und transatlantischem Handel. Diese Dynamik und Zerrissenheit drückt sich auch in der Kunst aus. Dem Besucher soll das nicht mit geografischer oder chronologischer Anordnung der Objekte, sondern mit thematischer und stilistischer Einteilung demonstriert werden.
Dass der manieristische Maler - darunter Künstler wie Tintoretto, El Greco oder Jan Brueghel der Ältere - zum Regisseur seiner Werke wird, ist unter dem Titel "Das Bild als Bühne" zu sehen. Die "Verkündigung" des Griechen El Greco (um 1541-1614) hat eine Kirche als Szenerie, die kniende Maria schaut zum Engel empor. Eine Kulisse ganz anderer Art bietet das Gemälde "Joseph und Potiphars Weib" von Hans Rottenhammer (um 1565-1625). Nach der biblischen Erzählung wollte die Frau des Ägypters Potiphar den Sohn Jakobs verführen. Das Bild zeigt die nackte Frau vor dem Bett, die Gardinen sind gleich Theatervorhängen zur Seite gezogen, der Betrachter erhält einen Blick auf die lüsterne Szene.
Denn zumindest als erotisierend kann die Kunst des Manierismus gleichfalls gelten, sagt Museums-Kurator Michael Philipp. Unter der Überschrift "Schaulust" sind eine Fülle von nackten Frauen zu sehen, von der römischen Göttin Diana über Susanna und Bathseba aus dem Alten Testament bis hin zu Vergewaltigungsszenen an mythologischen Figuren wie der Nymphe Lara. Müßig zu erwähnen, dass sich die Künstler eines fast voyeuristischen, provozierenden Blicks bedienten. Weiter wird dem Besucher in den mit leicht verständlichen Texten versehenen Ausstellungseinheiten veranschaulicht, dass der Manierismus Stillleben, Alltagsszenen und Landschaftsmalerei zu pflegen begann.
Augenfällig ist auch, dass religiöse Themen breiten Raum einnehmen.
Anders als zuvor, erläutert Kurator Philipp, bedienten sich die Künstler des 16. Jahrhunderts allerdings kaum mehr der Zentralperspektive, vielmehr werde der Betrachter ins Geschehen hinein genommen. Die Figuren treten fast aus dem Bild heraus, zu beobachten bei Marten van Heemskercks (1498-1574) "Die Beweinung Christi", bei dem der Gekreuzigte dem Betrachter fast "auf den Schoß" gelegt wird.
Hinweis: Die Ausstellung ist bis 11. Januar 2009 täglich von 11 bis
19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr, im Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, Hamburg, zu sehen. Näheres unter www.buceriuskunstforum.de
Meisterwerke des Manierismus in Hamburg
Fromm, lüstern, zerrissen
Dieser Saulus scheint Gott zu sehen: Den geblendeten Blick zum Himmel gewandt, stützt sich der einst so erbitterte Christenfeind mit der linken Hand am Boden ab. "Die Bekehrung des Paulus" des Flamen Denys Calvaert - ein typisches Werk des Manierismus. Eine groß angelegte Zusammenschau der Epoche von 1520 bis 1610 zeigt das Hamburger Bucerius Kunst Forum von Samstag an.
Share on