Akademietagung zu Krankheit und Spiritualiät

Macht Glaube gesund?

Macht Glaube gesund? Vor allem einige US-amerikanische Autoren und Studien beantworten diese Frage positiv. Eine ihrer angeblich wissenschaftlichen Ergebnisse ist: Gottesdienstbesucher haben eine durchschnittlich um 7,6 Jahre höhere Lebenserwartung als "Gottesdienstabstinenzler". Doch Skepsis ist angebracht.

Autor/in:
Timm Maximilian Hirscher
 (DR)

Sollten da nicht deutsche Krankenkassen einen Bonus für eifrige Gottesdienstbesucher einräumen, fragte der Freiburger Caritaswissenschaftler Klaus Baumann ironisch. Er war am Wochenende einer der Referenten einer Tagung der Katholischen Akademie Freiburg zum Thema Krankheit, Krankheitsbewältigung und Spiritualität.

Baumann und der Mediziner Arndt Büssing von der Universität Witten/Herdecke stellten viele Fragezeichen hinter die amerikanischen Behauptungen. So allgemein lasse sich das auf keinen Fall sagen, die Sachlage sei viel komplizierter. Baumann, Professor an der Universität Freiburg und katholischer Priester, äußerte seine Skepsis gegenüber pauschalen Urteilen wie: Wer glaubt, ist gesünder, verfügt über mehr Bewältigungsstrategien gegenüber Krankheiten und genießt eine höhere Lebenszufriedenheit. Das alles könne nicht kausal dem religiösen Glauben, der Spiritualität oder gar Gott zugeschrieben werden. Viele amerikanische Studien differenzierten da einfach zu wenig, trennten oft nicht zwischen vielfältigen Faktoren, etwa zwischen Religiosität und menschlichen Beziehungen in einer Gemeinde.

Ein Wirkfaktor von vielen
Unzweifelhaft sei Religiosität oder Spiritualität «ein» Wirkfaktor in einer Reihe von psychologischen und sozialen Einflüssen, die sich positiv auf den Krankheitsverlauf oder auf ein Leben mit Krankheit auswirkten, hob Baumann hervor. Auch der Mediziner Büssing betonte in seinem Vortrag über Spiritualität und Religiosität als Ressourcen im Umgang mit chronisch Erkrankten, dass man differenzieren müsse.
Er verwies auf deutsche Studien, nach denen Patienten ihre Krankheit verschieden bewerteten. Während eine Mehrheit Krankheit als eine störende Unterbrechung des bisherigen Lebens bezeichneten, sähen andere darin eine Herausforderung, einen Hilferuf oder etwas Wertvolles.

Und wer kontrolliert die Krankheit? Auch hier gehen die Antworten auseinander - vom Arzt über Gott bis zu Schicksal, Zufall und «Ich». Das alles sei stark vom Alter abhängig, aber auch von Geschlecht und Bildung. Für ihre Krankheit fühlten sich alte Menschen viel stärker selbst verantwortlich als junge Menschen.

Glaube erleichtert Umgang mit Krankheiten
Büssing sprach sarkastisch über Medienberichte, wonach Religion gesund sei und es religiösen Menschen besser gehe. Doch sei eindeutig zu bejahen, dass grundsätzlich religiöse oder spirituelle Menschen besser mit Krankheit umgehen könnten. Wobei der Mediziner unter Spiritualität eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung versteht. Menschen mit Religion oder Spiritualität interpretierten gegenüber anderen Patienten ihre Krankheit eher als Herausforderung, als Chance.

Beide Referenten forderten, dass im medizinischen Alltag - ob beim Hausarzt oder im Krankenhaus - die religiösen oder spirituellen Bedürfnisse der Patienten ernster genommen werden müssten. Mit den Kranken müsse anders umgegangen werden: Mehr Anteilnahme, Beachtung und eigene Bescheidenheit sei am Platz, meinten sie einhellig.