Hessen will Sprachtests für alle Vierjährigen einführen - Merkel geht auf Bildungsreise

Nicht ohne Deutschtest in die erste Klasse

Die hessische Landesregierung will in den nächsten Jahren flächendeckend ein "Kinder-Sprach-Screening" (KiSS) einführen, bei dem Vierjährige auf ihre sprachlichen Fähigkeiten getestet werden. Entsprechend dem Ergebnis sollen die die Kinder dann in der Kindertageseinrichtung und durch die Sensibilisierung der Eltern gefördert werden. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte bereits im Februar 2007 verpfllichtende Sprachtests für Vierjährige eingeführt. Art und Durchführung der Tests waren allerdings auf großen Protest gestoßen.

Autor/in:
Stefan Köhler
 (DR)

«Was hat der Junge da in der Hand?», fragt Liselotte Arslan. Die kleine Anni überlegt kurz. Vor sich hat sie ein buntes Bild mit vielen Menschen, Spielsachen und anderen Gegenständen. «Eine Trommel!», sagt sie dann. Arslan nickt zufrieden und vergibt drei Punkte auf einem Testbogen. Liselotte Arslan ist Erzieherin in der Kindertagesstätte der evangelischen Friedensgemeinde im Frankfurter Gallus - einem Stadtviertel mit besonders hohem Ausländeranteil. Sie überprüft bei all ihren vierjährigen Schützlingen, wie gut sie Deutsch sprechen.

Sind sie in ihrer sprachlichen Entwicklung zurück, bleiben bis zur Einschulung noch zwei Jahre Zeit, um im Kindergarten daran zu arbeiten. Auch medizinische Probleme werden überprüft  wenn ein Kind zum Beispiel stottert oder lispelt, wird es mit seinem Testergebnis zum Kinderarzt geschickt. Einen solchen Test muss bald jedes vierjährige Kind in Hessen absolvieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird sich bei ihrer Bildungsreise durch Deutschland am Donnerstag unter anderem einen evangelischen Kindergarten in Frankfurt ansehen.

Die «Kinder-Sprach-Screenings», kurz «KiSS», werden bereits seit Ende 2007 in hessischen Kindertagesstätten getestet. Neun Landkreise und kreisfreie Städte beteiligen sich freiwillig an der Pilotphase. Sie haben Logopäden eingestellt, die Erzieherinnen und Erzieher gezielt für «KiSS» schulen. Sie sollen die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder testen und bei Bedarf bis zur Einschulung gezielt verbessern. Arslan hat die Ausbildung als eine der Ersten in Hessen gemacht. «Das war auch für mich persönlich sinnvoll. Als Erzieherin muss man erst mal selbst ein anständiges Deutsch lernen.»

Bis 2011 will das Sozialministerium in jeder Kindertagesstätte in Hessen mindestens eine Fachkraft für die Umsetzung von «KiSS» ausbilden. Denn beim Erlernen der deutschen Sprache bestehe dringender Handlungsbedarf: Jedes fünfte Kind mit deutscher Muttersprache habe bei der Einschulung Sprachprobleme, bei Kindern mit Migrationshintergrund sei es sogar jedes Zweite. «Wir wollen den Fehlentwicklungen rechtzeitig entgegentreten. Das frühe Erlernen der Sprache ist der Schlüssel für späteren schulischen und beruflichen Erfolg», sagt Sozialstaatssekretär Gerd Krämer.

Die möglichst frühe Sprachförderung bei Kindern ist zu einem wesentlichen Element der hessischen Sozialpolitik geworden. In diesem Jahr stellt das Land mit rund 2,6 Millionen Euro doppelt so viel Geld dafür zur Verfügung wie im Jahr 2001. Mit dem «Förderprogramm Deutschkenntnisse für Kinder im Kindergartenalter» wurden seit 2002 mehr als 34.000 Mädchen und Jungen gefördert. Außerdem bezuschusst das Sozialministerium Sprachprogramme wie das Projekt «Frühstart» der Frankfurter Hertie-Stiftung, das ausländischen Kindergartenkindern beim Deutschlernen hilft.

Vorreiter auf dem Gebiet der Sprachtests ist Nordrhein-Westfalen mit dem Projekt «Delfin 4». Seit 2007 wird dort flächendeckend der Sprachstand der Vierjährigen erhoben. «Delfin 4» geht einen Schritt weiter als «KiSS»: Für die sprachliche Förderung eines Kindes bekommen die Kitas 340 Euro pro Jahr. Bei «KiSS» sind hingegen keine zusätzlichen Fördergelder für die Kindertagesstätten vorgesehen. «Das ist ein großer Schwachpunkt», sagt Sabine Herrenbrück vom Zentrum Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Grundsätzlich begrüßt sie aber, dass in Zukunft flächendeckend etwas für das Sprachniveau der Kinder getan werden soll. «Es ist ein Schritt in die richtige Richtung», findet auch Claudia Kott, Vorsitzende des Hessischen Elternvereins. «Es macht absolut Sinn, früh hinzuschauen und an Defiziten zu arbeiten.» Erzieherin Arslan sieht das genauso: «Allein durch die Tests achten wir mehr darauf, wie die Kinder sprechen. Die Kinder machen schnell Fortschritte, und die meisten haben richtig Spaß am Sprechenlernen.»