Die Schicksalsschläge sieht man der Südafrikanerin Thombile Nsindane nicht an. Auch nicht die Last, die sie mit ihren 70 Jahren trägt. Acht erwachsene Söhne starben an Aids. Drei Töchter und nach und nach alle Enkelkinder nahm sie bei sich auf - in eine kleine Rundhütte in Südafrika. «Ihr Gesicht strahlt so viel Würde aus,» sagt Claudia Bruning. Die 51-Jährige aus der Nähe von Osnabrück ist eine der Großmütter in Deutschland, die sich mit der Organisation «HelpAge Deutschland» für afrikanische Omas wie Nsindane einsetzen.
Mit der Aktion «Jede Oma zählt» lädt «HelpAge» Großmütter und Menschen aller Generationen ein, sich an der Hilfe für die Großmütter Afrikas zu beteiligen. Denn sie betreuen über die Hälfte der zwölf Millionen Aidswaisen. «Sie geben ihnen eine Zukunft und werden doch kaum unterstützt und beachtet», sagt Michael Bünte, Geschäftsführer der in Osnabrück ansässigen Organisation. 30 Prozent aller Haushalte in Zentral- und Südafrika werden inzwischen von alten Menschen geführt, obwohl sie selbst zu den Ärmsten der Armen gehören. Und die Zahl der Aidswaisen werde voraussichtlich bis 2010 auf mehr als 20 Millionen steigen, schätzt das Kinderhilfswerk Unicef.
Es geht ums Überleben
Bruning kennt die Südafrikanerin Nsindane nur von Fotos und Erzählungen. Doch sie bewundert ihre Stärke: «Ich passe nur ein Mal pro Woche auf meine Enkelin auf. Da geht es ums Spielen, nicht ums Überleben», sagt Bruning.
Nsindane muss mit 87 Euro Pension 17 Personen versorgen. Wenn sie frühmorgens aufsteht, fegt sie den Fußboden ihrer Hütte, holt Wasser aus dem Brunnen und sammelt Holz zum Kochen. Die Bewirtschaftung des kargen Gärtchens fällt ihr schwer. «Aber wenn die Kinder aus der Schule kommen, sollen sie etwas zu essen bekommen», sagt sie.
Viele Großmütter in Südafrika, Tansania oder Mosambik betreuen nicht nur ihre Enkel und ermöglichen ihnen den Schulbesuch. Die meisten pflegen gleichzeitig noch ihre an Aids erkrankten Söhne oder Töchter. Und sie werden selbst krank. Nach Schätzungen der UN-Organisation UNAIDS leben weltweit 2,8 Millionen über 50-Jährige mit Aids. Das sind sieben Prozent aller Erkrankten.
Aus dem Blick
«HelpAge Deutschland» fordert, die alten Menschen mehr ins Zentrum der Hilfsmaßnahmen zu rücken. «Die UN haben sich verpflichtet, alte Menschen zu unterstützen, aber in der Praxis passiert nichts», kritisiert Bünte. Seine Organisation sei die einzige in Deutschland, die ihnen mit Sachspenden und Rentenzahlungen helfe. 2007 gingen mit Unterstützung der Schirmherren, die Schauspielerin Hannelore Hoger und der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf, Spenden und öffentliche Zuschusse in Höhe von 270.000 Euro ein.
Auch international seien die Alten nirgendwo ein zentrales Thema. Auch auf der Welt-Aids-Konferenz vom 3. bis 8. August in Mexiko-Stadt kämen sie höchstens am Rande vor. «HelpAge» will dort ein Memorandum vorstellen. Einziger Erfolg bisher: Die Zahlung von Renten sei mittlerweile als Form der Entwicklungshilfe anerkannt. Bis vor kurzem sei die Hilfe zur Selbsthilfe geradezu ein Dogma gewesen: «Aber damit können wir die Verletzlichsten nicht erreichen.»
Am Monatsende reicht es für Thombile Nsindane, ihre Kinder und Enkel oft für nicht mehr als Tee und Weißbrot. Dann helfen Betreuerinnen von «MUSA», der Partnerorganisation von «HelpAge», mit Lebensmitteln.
Sie sorgen auch für Kleidung und für die in Südafrika vorgeschriebenen Schuluniformen den Kinder. Nsindane ist trotz allem glücklich, sagt sie: «Ich lebe gerne mit meinen Enkeln zusammen. Sie respektieren mich als alten Menschen.»
Afrikanische Großmütter betreuen Aidswaisen
Die Zukunft in Omas Händen
In Afrika ist fast eine ganze Elterngeneration von HIV betroffen. In Botswana oder Swasiland sind über 30 Prozent der Bevölkerung infiziert. Die Krankheit hat mehr als zwölf Millionen Kinder zu Waisen gemacht, viele werden von ihren Großmüttern versorgt. Die Organisation "HelpAge" sucht jetzt Unterstützer in Deutschland und hat dafür die Aktion "Jede Oma zählt" ins Leben gerufen.
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