Kluft zwischen reichen und armen Kinder wächst - mit schlimmen Folgen für alle

Unterschätzt: Kinderarmut in Deutschland

In Deutschland wachsen fast vier von zehn Kindern alleinerziehender Eltern in Armut auf. Das geht aus dem am Montag in Berlin vorgestellten "UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland" hervor. Der Vorstandschef der deutschen UNICEF-Sektion, Jürgen Heraeus, betonte bei der Vorstellung des Berichts, es sei besonders wichtig, "Eigenaktivität, Verantwortungsgefühl, und Konfliktfähigkeit von klein auf zu fördern."

 (DR)

Der Studie zufolge wächst die Kluft zwischen reichen Kindern, die gefördert werden und Kindern aus armen Familien, die von sozialer Ausgrenzung bedroht seien. Armutsgefährdet seien insbesondere die Kinder, die nur bei ihrer Mutter oder ihrem Vater aufwachsen. Mehr als zwei Drittel von ihnen leben im Laufe ihrer Kindheit oder Jugend mindestens ein Jahr lang in Armut, zehn Prozent sogar dauerhaft.

Bei benachteiligten Kindern träten chronische Krankheiten, Verhaltensauffälligkeiten und Übergewicht besonders häufig auf. Insgesamt zeigen in Deutschland 15 Prozent der Kinder zwischen 3 und 17 Jahren Anzeichen von Verhaltensauffälligkeit, 17 Prozent seien übergewichtig. Auch rauchten mit über 20 Prozent der 11- bis 17-Jährigen in Deutschland mehr Jugendliche als in jedem anderen Industrieland.

Darüber hinaus trage das selektive Bildungssystem zur Ungleichbehandlung bei, heißt es in der Studie weiter. So besuchten Kinder aus ausländischen Familien seltener einen Kindergarten, in Sonder- und Hauptschulen seien sie hingegen überrepräsentiert. 17 Prozent von ihnen verließen die Schule ohne Abschluss.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) vor, er habe die Situation in seinem vergangene Woche veröffentlichten Armutsbericht beschönigt. Die finanzielle Förderung der Familien müsse sich künftig am Kind orientieren. Die «längst überholte Subvention der Ehe durch das Ehegattensplitting» müsse deutlich reduziert werden.

FDP-Fraktionsvize Carl-Ludwig Thiele forderte eine Erhöhung des Kindergeldes von 154 auf 200 Euro als «effizientes Mittel zur Bekämpfung der Kinderarmut». Die steuerlichen Freibeträge für Kinder und Erwachsene sollten auf 8000 Euro steigen.

Die kinderpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, Diana Golze, nannte die gestiegene Kinderarmut «ein familienpolitisches Armutszeugnis« für Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Golze kritisierte, auch beim Kinderzuschlag würden Kinder von Alleinerziehenden deutlich benachteiligt und systematisch ausgegrenzt.

Der Präsident des Sozialverbands VdK, Walter Hirrlinger, forderte angesichts der Zahlen eine Anhebung des «Hartz-IV»-Regelsatzes für Kinder. Dieser müsse von 208 auf 250 Euro steigen, »damit betroffene Kinder nicht Gefahr laufen, dauerhaft ausgegrenzt zu werden», sagte Hirrlinger.