Die 230-seitige Arbeit des katholischen Theologen ist soeben unter dem Titel «Hitlers Theologie» im Echter Verlag in Würzburg erschienen. Darin untersucht er Schriften und Reden des Diktators von den Anfängen bis zum Tod. Die Texte zeigen nach den Worten des Autors, «dass Hitlers erbarmungsloser Gott das Gegenteil des Gottes Jesu ist. Es ist ein gnadenloser Gott, dem man sich durch Zugehörigkeit zum Herrenvolk als würdig erweisen musste. Keine Theologie, die 'in der Welt von heute' sein will, kommt an dieser Herausforderung vorbei.»
Hitler habe theologische Kategorien wie Gott, Glaube und Vorsehung zur Rechtfertigung seines Handelns benutzt, so der Wissenschaftler. Die Vernichtung des Judentums sei für ihn die Wiederherstellung einer verletzten göttlichen Ordnung gewesen. Das spreche ein Satz aus «Mein Kampf» am brutalsten aus, so Bucher. Er laute: «Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn».
Die christlichen Kirchen respektierte Hitler dem Autor zufolge als «erfolgreiche Weltanschauungsinstitutionen». Er bewunderte sie als Organisationen, so Bucher, «die einen festen Glauben vertraten und aus seiner Sicht den umfassenden Zugriff auf Menschen versuchten». Diesen «Totalitätsanspruch» des Christentums und auch des Judentums habe er bekämpfen wollen. Die Inhalte der Kirchen sah Hitler laut Autor als überkommene Glaubensvorstellungen an, die die Wissenschaft widerlegen würde.
Der Forscher beschäftigt sich in dem Buch auch mit katholischen Theologen wie Karl Adam, Joseph Lortz und Michael Schmaus, die Hitlers theologische Äußerungen während der NS-Zeit «faszinierten». Sie selbst hätten das später «eher nicht» aufgearbeitet. Inzwischen habe die Wissenschaft aber damit begonnen. Grund für die Begeisterung war nach Einschätzung des Grazer Forschers der Wunsch nach Kirchenreform. «Sie kritisierten die Statik der Kirche.» Darum habe sie die Verbindung «von Dynamik und Bändigung des Individuellen», die der Nationalsozialismus versprochen habe, fasziniert.
Das Interview im Wortlaut
KNA: Herr Professor Bucher, Hitler war kein Theologe. Wie kann man da ein Buch über seine «Theologie» schreiben?
Bucher: Durch Hitlers Schriften und Reden ziehen sich von Anfang bis Ende theologische Kategorien, die sich als sehr konsistent erweisen.
Es handelt sich natürlich um keine christliche und keine akademische Theologie. Aus wissenschaftlicher Sicht ist Hitlers Rede von Gott, die ihm zur Begründung seines Handelns dient, schlicht. Seine Theologie ist intellektuell krude, ihr Rassismus ist erbärmlich, ihr Gott ein Monster. Aber sie hat eine Systematik und sie ist in fataler Weise wirksam geworden. Deswegen muss man sich mit ihr beschäftigen:
nicht wegen ihrer Intellektualität, sondern wegen ihrer praktischen Relevanz.
KNA: Sie schreiben, Hitler habe die Kirchen bewundert. Warum?
Bucher: Er hat sie vor allem in seiner Frühzeit als erfolgreiche Weltanschauungsinstitutionen respektiert und analysiert. Als Organisationen, die einen festen Glauben vertraten und aus seiner Sicht den umfassenden Zugriff auf Menschen versuchten. Das hat er hoch eingeschätzt. Hitler verstand sein eigenes Projekt als Gegenprojekt zum umfassenden Anspruch des Judentums und des Christentums auf den Menschen. Weil diese Gegner Totalitätsansprüche erheben, müsse er es auch. Die Inhalte der Kirchen hat Hitler natürlich massiv kritisiert. Das waren für ihn überkommene Glaubensvorstellungen, die der wissenschaftliche Fortschritt widerlegen würde.
KNA: Wie hat er das Judentum gesehen?
Bucher: Das Judentum war der zentrale Gegner, den er von Anfang an als widergöttlich betrachtete. Es war für Hitler keine Religion, sondern eine politische, kulturelle und rassische Bewegung, die sich als Religion ausgab. Es zerstörte nach seiner Meinung die göttliche Weltordnung, wie er sie sah.
KNA: Göttliche Weltordnung - wie sah Hitler denn Gott?
Bucher: Gott war für ihn der Schöpfer, der die Welt mit einer Rangordnung der Rassen und Völker geschaffen hat. Hitlers Gott belohnt diejenigen, die sich nach der rassistischen Ordnung verhalten und sich für sie einsetzten. Hitlers berühmt berüchtigter Satz in «Mein Kampf": «Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn» spricht das am brutalsten aus.
KNA: Warum spricht Hitler so oft von Vorsehung?
Bucher: Das ist die geschichtstheologische Legitimationsvariante seines Gottesbegriffes. Die Vorsehung kommt in fast jeder Rede Hitlers vor. Dass er die Macht erlangt hat, obwohl es lange aussichtslos erschien, sah Hitler als Bestätigung, den Willen Gottes
- die Vorsehung - richtig erkannt zu haben. Als am Schluss die Siege ausblieben, sagte er: «Wem die Vorsehung so schwere Prüfungen auferlegt, den hat er zu Höchstem berufen». Hitler verarbeitete also selbst die Niederlagen noch über den Vorsehungsbegriff.
KNA: Woher nahm er seine religiösen Vorstellungen?
Bucher: Mein Buch behandelt keine Herkunftsfragen, seine Basis ist vielmehr alles das, was man heute noch von Hitler lesen kann. Und in diesen Texten zeigt sich: Hitlers erbarmungsloser Gott ist natürlich das Gegenteil des Gottes Jesu. Hitlers Gott ist ein gnadenloser Gott, dem man sich durch Zugehörigkeit zum Herrenvolk als würdig erweisen musste. Hitler vertrat ein Selbsterlösungskonzept. In den Erinnerungen von Albert Speer finden sich sogar indirekte Belege für Hitlers Aussage am Schluss, dass das deutsche Volk eben seiner Erwählung nicht würdig gewesen und deswegen untergegangen sei.
KNA: Welche Theologen waren damals von Hitler fasziniert?
Bucher: Im katholischen Bereich waren das nicht viele, aber auch nicht unbedeutende Theologen. Ich habe mich mit Karl Adam, Joseph Lortz und Michael Schmaus beschäftigt. Man kann sie nicht umstandslos als Nationalsozialisten bezeichnen, wenn auch Lortz in der Partei war. Meine These: Ihr Grund, sich auf Hitlers Theologie einzulassen, war der Wunsch nach Kirchenreform. Sie kritisierten die Statik der Kirche. Da bot der Nationalsozialismus die gewünschte Dynamik, ohne die moderne Pluralität und ihre individuellen Freiheitsrechte akzeptieren zu müssen. Diese Verbindung von Dynamik und Bändigung des Individuellen faszinierte.
KNA: Haben die drei das später aufgearbeitet?
Bucher. Eher nicht. Inzwischen hat die wissenschaftliche Aufarbeitung begonnen. Mir ist nicht so wichtig, Vorwürfe zu machen, sondern beispielhafte Zusammenhänge zu analysieren. Es geht mir darum zu zeigen, inwiefern das Zweite Vatikanum eine wirkliche Neupositionierung der Kirche in Auseinandersetzung mit der eigenen anti-liberalen und anti-pluralistischen Position bedeutet. Hitler war, wie sein Biograf Ian Kershaw sagt, der einflussreichste Mensch des 20. Jahrhunderts. Keine Theologie, die «in der Welt von heute» sein will, kommt an dieser Herausforderung vorbei.
Interview: Viola van Melis (KNA)
Buch über "Hitlers Theologie" erschienen - der Autor im domradio-Interview
Gott des "Führers" ein "Monster"
Der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher hat eine Analyse von "Hitlers Theologie" vorgelegt. Diese Theologie sei "intellektuell krude, ihr Rassismus erbärmlich, ihr Gott ein Monster", sagte er am Mittwoch in Bonn im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Doch dieses Konzept des Dikators sei "in fataler Weise wirksam geworden". Deswegen müssten Forscher sie heute analysieren.
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