Kritik an Böhmer wächst - ZdK verteidigt den CDU-Politiker im domradio

"Überzogen und maßlos"

Die Kritik an Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer reißt nicht ab. Der CDU-Politiker warf dem Magazin "Focus" vor, seine Äußerungen zu den Kindstötungen im Osten falsch wiedergegeben zu haben. Das Magazin wies den Vorwurf zurück. Hans Joachim Meyer vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) dagegen nahm Böhmer im domradio-Interview in Schutz.

 (DR)

Die Kritik sei "überzogen und maßlos", so der ZdK-Präsident. Böhmer wisse aus eigener Erfahrung, wie bedenkenlos nicht selten die Abtreibungsmöglichkeit genutzt oder empfohlen worden sei, um Probleme der Lebensplanung zu lösen.

"Liegt es da nicht nahe zu fragen, ob eine solche Einstellung nicht in manchen Köpfen zu einer moralischen Verwilderung beim Umgang mit geborenem menschlichen Leben geführt hat?", so Meyer, der selbst aus Ostdeutschland stammt.

Böhmer hatte laut "Focus" die Häufung von Babymorden in Ostdeutschland mit einer "leichtfertigen Einstellung zu werdendem Leben in den neuen Ländern" erklärt. Der Ministerpräsident fühlt sich allerdings von dem Nachrichtenmagazin falsch wiedergegeben.

Grüne fordern Rücktritt
Man sollte denen helfen, die in Not geraten seien, sagte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. Es müsse vermieden werden, Stigmatisierungen vorzunehmen, die am Ende auch dem Ruf ganzer Länder schadeten, dazu aufgrund einer Geschichte, die die meisten jungen Mütter nicht mehr erlebt haben. Dies sei "ungerechtfertigt".

Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, forderte wie tags zuvor Parteichefin Claudia Roth den Rücktritt Böhmers. "Er stellt juristisch und moralisch legale Abtreibung mit strafrechtlich zu verfolgender Kindstötung auf eine Stufe", so Lemke. Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, verlangte den Rücktritt Böhmers.

Ministerin Kuppe: Böhmer soll Interview zurücknehmen
Sachsen-Anhalts Sozialministerin Gerlinde Kuppe (SPD) hat Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) aufgefordert, seine Interviewäußerungen zum Thema Kindstötungen zurückzuziehen. Kuppe sagte am Montag in Magdeburg, Böhmer täte gut daran, umgehend zu erklären, dass seine Interviews "zu viel Interpretationsspielraum gelassen" hätten und daher zurückgezogen würden.

"Mit einer solchen eindeutigen Klarstellung würde Böhmer selbst aktiv dafür Sorge tragen, dass seine erfolgreiche Arbeit und das erfolgreiche Wirken der Koalitionsregierung unbeschadet bleiben." Kuppe betonte: "Es darf sich nicht der Eindruck verfestigen, als wolle der Ministerpräsident eine Verbindung zwischen den DDR-Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch und den heutigen Fällen von Kindstötungen herstellen."

Die Ministerin sagte, sie werde in Kürze einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Kinderschutzes vorlegen. Das Ziel sei, mit mehr Kontrolle Anzeichen für eine Kindesvernachlässigung noch schneller erkennen zu können.

Böhmer: Wurde falsch wiedergegeben
Böhmer warf unterdessen dem Magazin "Focus" vor, seine Äußerungen zu den Kindstötungen im Osten falsch wiedergegeben zu haben. Böhmer sagte MDR 1 Radio Sachsen-Anhalt, er habe sich viel Mühe gegeben, zu der differenzierten und komplizierten Materie auch differenziert Auskunft zu geben.

Der "Focus" habe jedoch nicht das ganze Interview, sondern nur Teile seiner Antworten veröffentlicht. Dadurch sei ein Eindruck entstanden, den er nicht beabsichtigt habe. Böhmer sagte, er habe die Frauen im Osten keineswegs pauschal verurteilen wollen.