Vor 100 Jahren wurde Claus Graf Schenk von Stauffenberg geboren

Die unmögliche Mission

Eigentlich wollte er Architekt werden: der stille und stets etwas kränkelnde Adlige aus dem schwäbischen Ort Jettingen. Doch sein beruflicher Weg führte ihn woanders hin: Claus Graf Schenk von Stauffenberg stieg bis zum Generalstabsoffizier auf und wurde dabei von Hitlers Bewunderer zu seinem Attentäter. Am 15. November 1907 geboren, wäre er heute 100 Jahre geworden. Mit einem Festakt im Schloss Jettingen wurde Stauffenberg am Mittwochabend geehrt. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) bezeichnete den ermordeten Widerstandskämpfer als Vorbild für die junge Generation.

 (DR)

Demokratie braucht Zivilcourage
Beckstein rief die Jugend dazu auf, Freiheit und Demokratie gegen jede Form des Extremismus zu verteidigen: "Graf von Stauffenberg hat durch sein mutiges Handeln in der dunkelsten und furchtbarsten Zeit unserer Geschichte ein Zeichen dafür gesetzt, dass sich Gewissen und Moral nicht zum Schweigen bringen lassen - auch nicht durch menschenverachtende, brutale Gewalt und Unterdrückung." Die Demokratie brauche auch heute Menschen mit Zivilcourage, mahnte der Ministerpräsident am Mittwochabend im Schloss Jettingen, dem Geburtsort Stauffenbergs.

Vom Bewunderer zum Gegner
"Nein, der Vater dieses Mannes war kein Kleinbürger", so schwärmte der junge Wehrmachtsoffizier von Hitler. "Der Vater dieses Mannes ist der Krieg!" Claus Schenk Graf von Stauffenberg bewunderte den "Führer" Adolf Hitler, obwohl ihn die pöbelhaften Manieren der Nazis anwiderten. Erst die beginnende Vernichtung der Juden und die Massaker an der Ostfront ließen ihn an Hitlers Fähigkeiten und Zielen zweifeln.

Stauffenberg nahm an der Besetzung des Sudetenlandes teil und schrieb seiner jungen Frau aus dem Polenfeldzug: "Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk." Doch was die Wehrmacht im Osten anrichtete, brachte ihn nur zum Nachdenken - noch nicht zum Widerstand. Seinen älteren Bruder Berthold, der bereits an Putschplänen gegen die nationalsozialistische Führung arbeitete, beschied er, zuerst müsse man den Krieg gewinnen. "Wenn wir nach Hause kommen, werden wir mit der braunen Pest aufräumen."

1942 rückte er in den Generalstab des Heeres auf - und begann die Truppenkommandeure an den Fronten mit Argumenten und Appellen zu
bearbeiten: "Wir müssen handeln, weil in eurem Rücken Verbrechen begangen wurden, die den Ehrenschild des deutschen Volkes beflecken." Als er im April 1943 bei einem Tieffliegerangriff in Nordafrika schwer verwundet wurde und das linke Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken verlor, interpretierte er sein Überleben als Auftrag, das höchste Risiko auf sich zu nehmen.

Ein winziger, aber entscheidender Fehler
Die vor allem von Generalmajor Henning von Tresckow ausgearbeitete "Operation Walküre" sah vor, den Mord an Hitler einer Clique "frontfremder Parteifunktionäre" anzulasten, um die Spitzen von NSDAP, SS und Gestapo ausschalten zu können. Über die Wehrkreiskommandos sollte dann das Militär die Macht übernehmen. Stauffenberg hatte mittlerweile als Stabschef beim Befehlshaber des Allgemeinen Heeresamtes Zugang zum Führerhauptquartier in der ostpreußischen "Wolfsschanze". Am 20. Juli 1944 erschien er dort zur Lagebesprechung mit einer Aktentasche, in der sich eine Bombe befand
- und beging einen winzigen, aber entscheidenden Fehler: Er lehnte die Aktentasche, bevor er den Raum verließ, zu weit von Hitler entfernt an den massiven Holzsockel des Besprechungstisches mit dem Kartenmaterial.
Die ohrenbetäubende Detonation, die er vor seinem Rückflug nach Berlin noch hörte, tötete vier hohe Militärs und verletzte viele Anwesende schwer. Hitler kam mit geringen Blessuren davon, was Stauffenberg aber nicht wusste. Vom Berliner "Bendlerblock" aus wurde "Operation Walküre" ausgelöst: Das Regierungsviertel wurde umstellt, in München, Wien und Prag besetzten Wehrmachtseinheiten die Parteizentralen.

In Paris transportierte man 1.200 SS-Offiziere und Parteiführer auf Lastwagen ins Militärgefängnis. Doch spät in der Nacht meldete sich der totgeglaubte Hitler im Rundfunk zu Wort. Der Putsch brach in sich zusammen und Stauffenberg war zum Verschwörer geworden. Im Hof des "Bendlerblocks" wurde er zusammen mit anderen Verschwörern noch in derselben Nacht standrechtlich erschossen. "Es lebe das heilige Deutschland!" soll er laut Augenzeugen kurz vor seinem Tod gerufen haben.

Seine Leiche wurde in Uniform und mit Ehrenzeichen auf dem Berliner St.-Matthäus-Kirchhof bestattet. Der "Reichführer SS", Heinrich Himmler, ließ sie ausgraben und verbrennen, seine Asche wurde über den Rieselfeldern verstreut. Stauffenbergs gesamte Familie kam in "Sippenhaft", sein fünftes Kind wurde im KZ geboren.