Nürnberger Theologen bieten ökumenische "Jogging-Exerzitien" an

Inspiration durch Transpiration

Um in der Fastenzeit zur Besinnung zu kommen, gibt es viele Wege. Einen ungewöhnlichen haben der katholische Nürnberger Theologe Christian Bauer und der evangelische Pfarrer Jürgen Körnlein gewählt: Sie bieten ökumenische "Jogging-Exerzitien" an. Mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprach Bauer über die spirituelle Dimension des Joggens, die Inspiration durch Transpiration und die Abgrenzung zum Fitness-Wahn.

 (DR)

KNA: Wie kam es zu der Idee der Jogging-Exerzitien?

Bauer: Ich schreibe gerade meine Doktorarbeit und sitze deshalb viel am Schreibtisch. Sport ist für mich dabei nicht nur ein guter Ausgleich zur täglichen Kopfarbeit, sondern auch ein Bestandteil lebendiger Spiritualität: Inspiration durch Transpiration. Da lag es nahe, in der Fastenzeit einmal kein "Sieben Wochen ohne" anzubieten, sondern ein "Sieben Wochen mit".

KNA: Warum eignet sich Jogging für Exerzitien?

Bauer: Laufen kann jeder. Es braucht keine aufwendige Vorbereitung und ist ein guter Weg, zu sich selbst zu kommen. Als eine Art "Rosenkranz der Füße" konzentriert es den Menschen auf eine gleichmäßige, sich ständig wiederholende Bewegung. Dabei erreicht man schnell eine hellwache Form von Aufmerksamkeit.

Jogging-Exerzitien sind als "Geistliche Übungen" für Leib und Seele keineswegs nur etwas für religiöse Hochleistungsathleten, sondern auch für normale Breitensportler des geistlichen Lebens.

KNA: Täte es nicht auch ein Spaziergang ähnlich einer kleinen Wallfahrt?

Bauer: Auch eine Wallfahrt wie der beliebte Pilgerweg nach Santiago de Compostela ist kein Spaziergang, sondern kann einen schnell an die physischen Grenzen bringen. Darum geht es uns:
auch im Spirituellen einmal körperlich gefordert sein, an die eigenen Grenzen gehen, sie vielleicht ein wenig hinausschieben und diese Erfahrung mit anderen im Licht des Glaubens betrachten.

KNA: Braucht die Gesellschaft nicht mehr Langsamkeit statt Schnelligkeit?

Bauer: Joggen, wie wir es verstehen, hat eine unterbrechende und entschleunigende Funktion. Es geht um eine Unterbrechung unserer schnelllebigen Wochenroutine, die einem dabei helfen kann, durch die Benutzeroberfläche unseres Alltags hindurch in eine tiefere Dimension des Lebens vorzudringen - und dort vielleicht sogar Gott selbst zu entdecken als den weitesten Horizont unserer Sehnsucht und den letzten Grund unserer Kraft.

KNA: Springen Sie mit Ihrer Aktion nicht auch auf den oberflächlichen Fitness- und Schönheitswahn auf?

Bauer: Man braucht für unsere Exerzitien zunächst einmal nicht mehr als nur den Wunsch, ein bisschen Winterspeck loszuwerden, ein wenig Ruhe für die gestresste Seele zu finden, vielleicht auch beides zusammen. Wir möchten diese Bedürfnisse nicht in einem undifferenzierten Kulturpessimismus denunzieren, der überall gleich einen oberflächlichen Fitnesswahn am Werk sieht...

KNA: ... sondern?

Bauer: Wir wollen ein Zeichen gegen jene Leibfeindlichkeit im Spirituellen setzen, die in unseren Kirchen ein viel größeres Problem darstellt als diese gesellschaftliche Oberflächenfixierung. Einem solchen "Monophysitismus" in geistlichen Dingen stellen wir, um es in der Sprache der Theologie zu sagen, eine körperbetonte Mystagogie entgegen, die in das innerste Geheimnis des eigenen Lebens führen möchte: Gott selbst als Ursprung und Ziel unserer ganzen Existenz.

KNA: Hat sich Erzbischof Ludwig Schick, der als begeisterter Jogger bekannt ist, schon bei Ihnen angemeldet?

Bauer: Leider nicht, er hat zu viele andere Verpflichtungen. Aber ich habe mit ihm darüber gesprochen, und er war von der Idee sehr angetan. Auch anderen scheint es so zu gehen. Am ersten Abend konnten wir trotz Dauerregens mehr als 40 Teilnehmer begrüßen.

Interview: Christian Wölfel (KNA)