Verhältnis zwischen Juden und Christen in Deutschland eine "ziemlich gangbare Brücke"

Christlicher Glaube ohne jüdisches Erbe nicht denkbar

Der christliche Glaube ist nach Überzeugung von Kardinal Karl Lehmann ohne das jüdische Erbe "nicht denkbar und auch gar nicht lebensfähig". Der Dialog zwischen den beiden Religionen habe an Tiefe und Reife gewonnen, sagte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz am Montagabend in Mannheim. Er äußerte sich bei einer Veranstaltung im Rahmen der bundesweiten christlich-jüdischen "Woche der Brüderlichkeit".

 (DR)

Lehmann ging erneut auf die jüdischen Reaktionen auf Vergleiche deutscher Bischöfe zwischen dem israelischen Sicherheitszaun und dem Warschauer Getto ein. Die Bischöfe hätten ihre aus tiefer Betroffenheit gemachten Sätze richtig gestellt. Er selbst habe diese sehr persönlichen Aussagen bedauert und mit hochrangigen Vertretern des Judentums ausführlich darüber gesprochen, betonte der Kardinal. Er wies erneut auf die bedrückende Lage der Palästinenser hin. Die Reise der Bischöfe habe die Dringlichkeit einer baldigen Friedenslösung im Nahen Osten nachhaltig vor Augen geführt.

Bei der Veranstaltung im Jüdischen Gemeindezentrum standen noch Vorträge des Düsseldorfer Rabbiners Julian-Chaim Soussan zum Thema "Der Fremde in jüdischer Tradition" und des stellvertretenden Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Christoph Kähler, zum Thema "Fremdheit und Nähe" auf dem Programm. Zuvor hatte Lehmann an einem internen Arbeitstreffen von Rabbinern und hohen Kirchenvertretern zu einer Intensivierung des interreligiösen Dialogs teilgenommen.

Vor einem Jahr hatte es in Berlin das erste offizielle Gespräch zur Intensivierung des Dialogs zwischen Rabbinern und christlichen Kirchen in Deutschland gegeben. Das Arbeitstreffen in Mannheim stand unter Leitung des Präsidenten des Rabbinatskomitees Deutschland, Rabbiner Netanel Teilbaum, sowie Lehmanns und Kählers.

Bedauernswertes Ereignis
Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Henry G. Brandt, hat die Äußerungen katholischer Bischöfe zur Lage in den Palästinensergebieten als "bedauernswertes Ereignis" bezeichnet.
Solche Zwischenfälle dürften das Erreichte aber nicht in Frage stellen, sagte Brandt am Montag im Deutschlandradio Kultur. Die katholische und evangelische Kirche hätten viel geleistet, um die Beziehung zum Judentum neu zu definieren.

Anstoß hatten zuvor die Äußerungen von Bischöfen erregt, die während einer Pilgerreise ins Heilige Land die Lebenssituation von Palästinensern in den Autonomiegebieten mit der von Juden in Gettos des Zweiten Weltkriegs verglichen hatten. Es wurde erwartet, dass diese auch im internen Teil des Begegnungstreffens zwischen Rabbinern und Bischöfen zur Sprache kamen, das am Montag in Mannheim im Rahmen der "Woche der Brüderlichkeit" geplant war.

Die umstrittenen Äußerungen seien nur von zwei von 27 Bischöfen gemacht worden, betonte Brandt. Der Vorwurf des Antisemitismus sei "wirklich total falsch am Platz". Insgesamt sei das Verhältnis zwischen Juden und Christen in Deutschland eine "ziemlich gangbare Brücke". Dennoch müssten Menschen von der Statur eines deutschen Bischofs ihr Vokabular eigentlich etwas sorgfältiger aussuchen.