Politiker in NRW streiten um das dreigliedrige Schulsystem

Welche Schule ist die Beste?

Über die künftige Schulpolitik gibt es zwischen Landesregierung und Opposition heftigen Streit. Während SPD und Grüne im Düsseldorfer Landtag das dreigliedrige Schulsystem abschaffen und stattdessen die Gemeinschaftsschule einführen wollen, lehnt dies die schwarz-gelbe Regierungskoalition kategorisch ab. "Wir wollen keinen Systemwechsel; für uns steht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt", teilte ein Regierungssprecher in Düsseldorf mit.

 (DR)

SPD-Landeschefin Hannelore Kraft sagte hingegen: "Das Nebeneinander von Grundschulen, Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschule hat sich überholt." Ein Beleg für den Veränderungsdruck seien die Anmeldezahlen zu den Gesamtschulen. Laut Gemeinnütziger Gesellschaft Gesamtschule seien in diesem Jahr landesweit rund 47 000 Grundschüler an einer öffentlichen Gesamtschule angemeldet worden. Aber nur für 30 000 Kinder gebe es einen Platz. Die Eltern wollten für ihren Nachwuchs keine frühe Aufteilung in "Schulschubladen". Sie wollten längeren gemeinsamen Unterricht, damit auch ihr Kind die Chance habe, sich individuell zu entwickeln. Die Gemeinschaftsschule sei bundesweit auf dem Vormarsch.

Eltern überwiegend für die Gemeinschaftsschule
Über 85 Prozent aller Eltern in Deutschland plädieren laut einer Umfrage im Auftrag des Magazins "Focus-Schule" für ein einheitliches Schulsystem für ihre Kinder. Auch zwei Drittel der Lehrer wünschten sich den Angaben zufolge einheitliche Rahmenbedingungen für Schüler aller Bundesländer. Das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest befragte insgesamt 1800 Lehrer, Eltern und Personalchefs in der Wirtschaft.

Länder nutzen ihre neuen Kompetenzen
Die Bundesregierung hatte im Juli 2006 den Ländern im Zuge der Föderalismusreform mehr Kompetenzen in der Bildungspolitik zugesprochen. Jetzt haben die Landespolitiker das Thema für sich entdeckt. Nicht nur in NRW auch in Hessen wird zur Zeit über die Gemeinschaftsschuel gestritten.

Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Sigrid Beer, sagte, das "sozial zutiefst ungerechte und gegliederte Schulsystem" behindere Lernen und Leistung. Wie in anderen Bundesländern zuvor könne auch eine Hauptschuloffensive in NRW das gegliederte System nicht retten. Immer mehr Eltern wollten, dass ihre Kinder gemeinsam lernten. Die Landesregierung müsse den Weg freimachen für ein modernes Schulsystem.

Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW forderte die Landesregierung auf, sich der Diskussion über eine Veränderung der Schulstrukturen nicht zu verschließen. "Vor allem den ländlichen Kommunen hilft es angesichts der sinkenden Schülerzahlen nicht, wenn ihnen die Landesregierung bei der Zusammenlegung der Schulformen enge Grenzen setzt", sagte Landesvorsitzender Udo Beckmann in Dortmund.

Dagegen sagte der NRW Regierungssprecher, mit einem Schulsystem-Wechsel könnten keine Probleme gelöst werden. Stattdessen müsse es für Kinder, wie in dem im vergangenen Sommer verabschiedeten Schulgesetz verankert, mehr Lehrer und eine bessere individuelle Förderung geben. Auch die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Ingrid Pieper-von Heiden, sprach sich dafür aus, "das gegliederte, begabungsgerechtere Schulsystem" zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Der SPD-Landesvorstand hatte am Wochenende bildungspolitische Grundsätze abgesegnet, die voraussichtlich am 25. August von einem Landesparteitag beschlossen werden sollen. So spricht sich der Landesvorstand unter anderem für Gebührenfreiheit vom Kindergarten bis zum ersten qualifizierenden Hochschulabschluss aus. Außerdem soll es einen Rechtsanspruch für jedes Kind auf einen Betreuungsplatz in Kindertagesstätten nach dem ersten Lebensjahr geben. Die Gemeinschaftsschule wollen die Sozialdemokraten flächendeckend und verbindlich einführen.