Deutsche Weihnachtsmärkte führen ein Dasein zwischen Zankapfel und Bratapfel. Der Glühwein ist zu teuer, der Andrang zu groß und das Weihnachtsgefühl zu klein, nörgelt es hier und da.
Umbenennungen von Märkten in "Lichterfeste" sorgen für emotionale Debatten. Trotzdem zieht es die Menschenmassen alle Jahre wieder zum Weihnachtsmarkt, der schon lange als eines der zentralen Symbole des deutschen Kulturguts gilt. Doch warum genau ist er so beliebt?
Für Theologin Ruth Conrad von der Berliner Humboldt-Universität erfüllen Weihnachtsmärkte die Rolle von spätmodernen Sehnsuchtsorten.
Es sei die "Duftmischung aus Glühwein, gebrannten Mandeln, Thüringer Rostbratwurst und Thai-Pfanne", schreibt sie in einem Beitrag für die Uni. Für Conrad ist es die Sinnlichkeit, aus der sich die Faszination für die Weihnachtsmärkte speise: "Lichter und Lampen in dunklen Nächten, warme Getränke und Speisen in einer eiskalten Zeit, Kommerz mit Emotion." Die Wirkung der Märkte lebe von diesen Gegensätzen und Sehnsüchten. Von Geselligkeit als Gegenpol zur Einsamkeit, von einem vertrauten Ambiente als Gegenpol zu einem Gefühl der Orientierungslosigkeit.
Ursprung im Mittelalter
Diese Vertrautheit hat sicher auch mit der langen Tradition zu tun. Die ersten Weihnachtsmärkte im deutschsprachigen Raum fanden schon im Mittelalter statt. Der Wenzelsmarkt im sächsischen Bautzen lässt sich bis ins Jahr 1384 zurückverfolgen, der Dresdner Striezelmarkt wird 1434 urkundlich genannt. Zu Beginn öffnete jener Striezelmarkt nur für einen Tag an Heiligabend und bot hauptsächlich Fleisch an.
Mit der Zeit verlängerten die Märkte, die in erster Linie als Versorgungsmärkte fungierten, ihre Öffnungszeiten. Später tummelten sich Kunsthandwerker und Spielzeugschnitzer unter den Ausstellern.
Der Übergang zur heutigen Form der Märkte setzte im 17. Jahrhundert ein, als sich Weihnachten immer stärker zu einem bürgerlichen Familienfest entwickelte - mit Geschenken für Kinder und besinnlichem Beisammensein. Attribute, die bis heute geblieben sind.
Industrialisierung und Nazi-Zeit
Mit der einsetzenden Industrialisierung wandelte sich das Bild der Weihnachtsmärkte erneut. Steigende Lebensqualität und das Aufkommen der Arbeiterklasse ließen sie im 19. Jahrhundert schnell wachsen.
Einige Händler und Behörden blickten besorgt auf die vielen Marktbesucher aus der aus ihrer Sicht städtischen Unterschicht und verbannten die Märkte zunehmend an die Stadtränder. Die Nationalsozialisten holten sie wieder in die Innenstädte zurück - deuteten sie aber im Sinne ihrer Ideologie zu heidnischen Winterfesten um. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges blieben die meisten Stände dann geschlossen.
Mit Wirtschaftswunder und steigendem Konsum in den 1960er Jahren erlebten die Weihnachtsmärkte schließlich ihr Comeback. Heute sind sie als zentraler Bestandteil der Adventszeit aus den Innenstädten nicht mehr wegzudenken. Auch nicht unter dem Einfluss der Debatten, mit denen sich die Märkte gegenwärtig konfrontiert sehen - hauptsächlich wegen der heikleren Sicherheitslage. Anschläge auf die Weihnachtsmärkte in Berlin (2016) und Magdeburg (2024) haben ihre Spuren hinterlassen.
Terror-Experte: Keine Angst vor Besuch
"Ich hätte keine Angst, einen Weihnachtsmarkt zu besuchen", ließ Terrorismusexperte Peter Neumann kürzlich in einem Social-Media-Beitrag wissen. Zwar spreche er nur für sich selbst - und die Gefahr durch islamistischen Terror bleibe hoch. Aber: "Wer sich aus Angst vor Terrorismus zurückzieht und kein normales Leben mehr führt, spielt den Terroristen in die Hände." In Deutschland seien in 30 Jahren weniger als 30 Menschen durch islamistischen Terror gestorben, so der Experte. Sein Fazit: "Es gibt viel größere Risiken für das eigene Leben."