Diözesanmuseum Rottenburg nach millionenteurem Umbau wiedereröffnet

Sakrale Kunst und die großen Fragen

Sakrale Kunst könne auch heute Menschen bewegen, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Denn hier gehe es "ums Ganze". Das für 1,2 Millionen Euro umgebaute Diözesanmuseum Rottenburg bringe religiöse Kunst neu zum Sprechen.

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Norbert Demuth
Blick in einen Ausstellungsraum des Diözesanmuseums Rottenburg am 4. November 2025 in Rottenburg / © Norbert Demuth (KNA)
Blick in einen Ausstellungsraum des Diözesanmuseums Rottenburg am 4. November 2025 in Rottenburg / © Norbert Demuth ( KNA )

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht einen rapiden Verlust der christlichen Prägung der Gesellschaft. Umso wichtiger sei der Erhalt sakraler Kunst, die eine "bleibende Aktualität" habe, sagte Kretschmann am Wochenende bei der Wiedereröffnung des Diözesanmuseums Rottenburg. Es war ein Jahr lang für rund 1,2 Millionen Euro saniert und umgebaut worden, um künftig seine bedeutenden Bestände mittelalterlicher religiöser Kunst zeitgemäß präsentieren zu können.

Winfried Kretschmann

"Wir erleben eine rasante Säkularisierung unserer Gesellschaft".

"Wir erleben eine rasante Säkularisierung unserer Gesellschaft", erklärte Kretschmann am Samstagnachmittag anlässlich des Festakts zur Wiedereröffnung. Allein in den 15 Jahren seiner Amtszeit sei der Anteil der Christen in Baden-Württemberg von über 70 Prozent auf rund 50 Prozent gesunken. Viele Menschen hätten verlernt, die christliche Kultur "zu lesen und zu lieben" und verstünden sakrale Kunst nicht mehr. Dies habe Folgen für unser Menschenbild und die Humanität einer Gesellschaft. "Alles das steht infrage, wenn wir unsere christlichen Wurzeln verlieren", mahnte der Katholik Kretschmann.

Mit XR-Brille in die Schatzkammer

Museumsleiterin Melanie Prange habe in Führungen erfahren, dass christliche Kunst aus dem Mittelalter sich einem zeitgenössischen Publikum nicht mehr automatisch vermittelt. Als sie einmal einer Studierendengruppe ein Gemälde zeigte und fragte, was man darauf dargestellt sehe, habe eine Person aus der Gruppe gesagt: "Eine Frau und einen Mann mit Flügeln." Die Studierenden standen vor dem Gemälde "Verkündigung an Maria" - jener biblischen Szene, in der Maria die Geburt Jesu von einem Engel angekündigt wird.

Melanie Prange, Museumsleitung des Diözesanmuseums Rottenburg / © Norbert Demuth (KNA)
Melanie Prange, Museumsleitung des Diözesanmuseums Rottenburg / © Norbert Demuth ( KNA )

Besucher werden in der Ausstellung deshalb nicht gleich mit religiösen Informationen überfrachtet. Sie werden eher vorsichtig herangeführt, mit Schildern wie "Schlüsselerlebnisse" im Leben Marias. Besucher bekommen zudem kleine tragbare, goldfarbene Rahmen aus Pappe, die sie vor die Gemälde halten können. Auf dem Rahmen stehen etwa die Fragen: "Wo siehst Du Schönheit?" oder "Wo siehst Du Hoffnung?" und die Aufforderung: "Mach Dir ein Bild." Gleich im Eingangsbereich kann man zudem mit einer VR-Brille virtuell in die Schatzkammer des Museums eintauchen und Exponate "anfassen".

Melanie Prange

"Man kommt hier zur Ruhe."


Bischof würdigt "Gabe der Kunst"

Doch warum überhaupt sollten Menschen im Jahr 2025 in ein Museum gehen, das religiöse Kunst aus dem Mittelalter zeigt? Museumsleiterin Prange gab darauf eine zunächst überraschende Antwort. Die Kunsthistorikerin verwies nicht auf die meisterhaften Maltechniken großer Künstler. Prange sagte stattdessen: "Man kommt hier zur Ruhe." Und das sei für die oft gestressten Menschen des "Wisch und Weg" im Social-Media-Zeitalter dringend notwendig.

Dr. Klaus Krämer, Bischof von Rottenburg-Stuttgart. / © Jens Kramer (Diözese Rottenburg-Stuttgart)

Der Rottenburger Bischof Klaus Krämer gab in seiner Ansprache eine weitere Antwort: "Wir stehen heute hier nicht mehr nur in einem Museum christlicher Kunst. Wir bewegen uns an einem Ort, an dem mannigfaltig erfahrbar wird, was es bedeutet, dass Gott den Menschen die Gabe der Kunst geschenkt hat." Damit äußerte sich Krämer ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), das die Kunst und gerade die sakrale Kunst als "ein Stück heiliger Nachahmung des Schöpfergottes" bezeichnet hatte.

Projektion lebendigen Wassers

Auch vier Werke zeitgenössischer Kunst sind nun im Diözesanmuseum zu sehen. Etwa eine Projektion eines meterhohen, ständig sprudelnden Wassers an der nackten Betonwand des Museums. Der Titel des Werkes der Augsburger Künstlerin Karen Irmer lautet "Aufgehoben". Die Wasser-Projektion verleiht etwa der wenige Meter entfernt stehenden und aus dem 15. Jahrhundert stammenden Holzfigur "Christus auf dem Palmesel" eine ganz neue Lebendigkeit.

Winfried Kretschmann

"Ja, man kann sakrale Kunst zum Sprechen bringen."

Das Museum ist architektonisch in die ehemalige Karmeliterkirche integriert, die um das Jahr 1800 säkularisiert worden war. Auf fast 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind 396 Objekte zu sehen, auf drei Museumsebenen. Die 1,2 Millionen Euro teuren Umbaumaßnahmen waren den Angaben zufolge nur mit Hilfe eines großzügigen und überraschenden Erbes des verstorbenen Tübinger Ehepaares Gertrud und Robert Ulrich möglich.

"Chapeau! Das Werk ist gelungen!"

Kretschmann sagte: "Chapeau! Das Werk ist gelungen!" Sakrale Kunst werde hier "wach und lebendig". Die Kunstwerke würden modern präsentiert und mit existenziellen Fragen der Menschen heute verknüpft. "Ja, man kann sakrale Kunst zum Sprechen bringen." Denn in der Kunst gehe es ums Ganze, sagte der 77 Jahre alte Ministerpräsident: "Um Gott, die Schöpfung, den Menschen, den Sinn. Um die großen Fragen, die uns Menschen berühren."

Bistum Rottenburg-Stuttgart

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart ist mit rund 1,57 Millionen Katholiken Deutschlands drittgrößtes Bistum. Es umfasst Württemberg. Während das früher zum Habsburgerreich zählende Oberschwaben bis heute katholisch geprägt ist, ist in und um Stuttgart traditionell der Protestantismus stark.

Diözese Rottenburg-Stuttgart (dpa)
Diözese Rottenburg-Stuttgart / ( dpa )
Quelle:
KNA