Zum 200. Geburtstag des Ordensgründers Kardinal Lavigerie

Vater der Weißen Väter und Schwestern

Das Erzbistum Karthago herrsche"über nichts", beschieden Tunesiens Sozialisten 1964. Eine Ohrfeige für die Ansprüche, die Rom in den 1880er Jahren formuliert hatte. Und für alle Missionsbemühungen eines noch jungen Ordens in dem Land.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Pater Charles Martial Lavigerie, erster Direktor der christlichen Hilfsorganisation "L'Oeuvre d'Orient" von 1856 bis 1863 / © Alain Pinoges (KNA)
Pater Charles Martial Lavigerie, erster Direktor der christlichen Hilfsorganisation "L'Oeuvre d'Orient" von 1856 bis 1863 / © Alain Pinoges ( KNA )

Das antike Christentum in Nordafrika mit seinen Frontmännern Cyprian von Karthago und Augustinus von Hippo war mit der islamischen Eroberung des 7. Jahrhunderts untergegangen. Erst im mächtigen kolonialen Fahrwasser Frankreichs ergab sich Mitte des 19. Jahrhunderts eine Chance, das Rad der Kirchengeschichte noch einmal zurückzudrehen. 

Eine Schlüsselfigur für diesen Versuch war Kardinal Charles-Martial Allemand Lavigerie, der vor 200 Jahren, am 31. Oktober 1825, bei Bayonne im Baskenland geboren wurde. Zunächst Bischof von Nancy, wurde der versierte Kirchenhistoriker und Jurist Lavigerie Anfang 1867 von Pius IX. zum Erzbischof von Algier ernannt. 

Das Pontifikat Papst Pius des IX. dauerte von 1846 bis 1878 an und prägte die katholische Kirche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich. (KNA)
Das Pontifikat Papst Pius des IX. dauerte von 1846 bis 1878 an und prägte die katholische Kirche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts maßgeblich. / ( KNA )

Im Vorjahr hatte in der nordafrikanischen Hafenstadt die Cholera grassiert. Mehr als 50.000 Menschen starben; viele Kinder wurden zu Waisen. In dieser Lage suchte der neue Erzbischof nach einer Schwesterngemeinschaft, um der Not entgegenzutreten. Er sandte einen Priester in die Bretagne, um junge Frauen anzuwerben, die bereit waren, den Menschen in Afrika zu dienen. "Weder Reichtum noch menschliche Größe" konnte er versprechen, sondern nur "Armut, Elend,
Selbstverleugnung und einen möglichen Märtyrertod".

Lavigeries längerfristiges Ziel war eine Wiederbelebung des antiken Christentums in Nordafrika, ja eine Verbreitung in ganz Afrika. Als Mittel dafür sah er Missionsgesellschaften, die sich für Bildung, für Arme, Kranke und Waisenkinder einsetzen sollten. Im Oktober 1868 gründete Lavigerie die Gesellschaft der Afrikamissionare (Weiße Väter); 1869 folgte der weibliche Zweig, die Weißen Schwestern.

Schwestern im Sturm

Wie schwierig die Aufgabe sein würde, dessen war sich Lavigerie bewusst: "Bei den Muslimen kann sich niemand einem weiblichen Wesen nähern, ohne selbst eine Frau zu sein", heißt es in seinem Missionsappell. "So wartet hier auf euch Frauen ein Auftrag, wie er euch in der Kirche kaum noch je anvertraut worden ist." Acht junge Frauen entschieden sich für Algier; die meisten hatten die Bretagne nie zuvor verlassen. Am 9. September 1869 trafen sie ein. Noch tags zuvor waren sie in einen Sturm geraten - mit dem die Geschichte der "Missionsschwestern Unserer Lieben Frau von Afrika" quasi begann.

Afrikamissionare in Burundi / © N.N. (KNA)
Afrikamissionare in Burundi / © N.N. ( KNA )

Die landläufige Bezeichnung der "Weißen Väter" und "Weißen Schwestern" knüpft an das weiße Ordensgewand an. Allerdings wurde der Name allzu häufig mit der Hautfarbe assoziiert - weshalb später eher die Bezeichnung "Afrikamissionare" bevorzugt wurde. Ihre Spiritualität ist von den Jesuiten geprägt, die in den Anfangszeiten die Seminaristen des Ordens ausbildeten. Die Mitglieder sollten die Kultur der einheimischen Bevölkerung respektieren und eine bodenständige Kirche aufbauen.

1878 wurden Missionsstationen in Ostafrika und 1894 in Französisch-Sudan gegründet, dem heutigen Mali, Burkina Faso und Guinea. 1874 entstanden Niederlassungen in Frankreich, 1884 in Belgien, 1894 in Deutschland und 1901 in Kanada. Allerdings waren nicht alle Versuche von Erfolg gekrönt. 1876 wurden drei Missionare von Tuareg beim Versuch getötet, durch die Sahara das heutige Mali zu erreichen.

Einsatz gegen Sklaverei

Besonders engagierte sich Lavigerie gegen die Sklaverei. Er besuchte dafür Europas Hauptstädte und Regierungen, predigte ein Ende des Menschenhandels. 1878 ernannte ihn Leo XIII. (1878-1903) zum Apostolischen Delegaten für Zentralafrika und damit zum Beauftragten für die Mission. Für seine Verdienste machte er Lavigerie 1882 zum Kardinal.

Papst Leo XIII. / © Wikipedia Gemeinfrei
Papst Leo XIII. / © Wikipedia Gemeinfrei

Zwei Jahre später wurde - immer unter französischem "Protektorat" - das 1843 gegründete Apostolische Vikariat Tunesien zum Erzbistum Karthago erhoben und Lavigerie mit dessen Leitung betraut. Unter Rückgriff auf die christliche Antike erhielt er mit dem Sitz von Karthago auch den alten Titel "Primas von Afrika".

Von Lavigerie ging auch die Initiative zum Bau der Kathedrale in Karthago aus. Sie wurde binnen weniger Jahre auf dem höchsten Punkt des Bursa-Hügels errichtet, wo einst die Akropolis der antiken Großmacht Karthago stand. Die mächtige Kathedrale St. Louis war dem französischen König Ludwig IX. geweiht, dem Heiligen, der 1270 genau hier als Kreuzfahrer starb. An dieser Stelle soll damals sein Zelt gestanden haben.

"Eine blühende Kirche"

Das Gotteshaus mischt byzantinisch-romanische und maurische Elemente. Ein umlaufendes Mosaikband formuliert in dicken lateinischen Lettern den Führungsanspruch des Hausherrn für "ganz Afrika". Es greift auch einen Ausspruch des elsässischen Papstes Leo IX. (1049-1054) aus der Zeit vor den Kreuzzügen des Mittelalters auf: Der Bischof von Karthago sei der erste in Afrika - und es werde dort wieder eine blühende Kirche entstehen.

Ehemalige Kathedrale Saint Louis von Karthago in Tunis / © Alexander Brüggemann (KNA)
Ehemalige Kathedrale Saint Louis von Karthago in Tunis / © Alexander Brüggemann ( KNA )

Einstweilen freilich bestand die Kirche in Nordafrika im 19. und 20. Jahrhundert noch fast ausschließlich aus Europäern, vielfach französische Beamte und Führungskräfte. Bildung, Erziehung und Caritas besorgten die Weißen Väter und einige andere Orden.

Toast von Algier

Berühmt wurde Lavigeries sogenannter Toast von Algier. Im November 1890 sprach der Pragmatiker und Realist dort einen "Toast" aus, der die französischen Katholiken einlud, sich mit der Republik auszusöhnen. Dies führte zu heftigen Protesten vom royalistischen Flügel und zu viel Verunsicherung unter einfachen Katholiken; Leo XIII. sah sich genötigt, dem Kardinal persönlich beizuspringen - zumal er diesen zuvor selbst zu einer Flankierung seiner neuen Frankreich-Politik in diesem Sinne gebeten hatte.

Lavigerie starb im November 1892 in Algier. Sein Leichnam wurde in seiner Kathedrale bestattet - und nach der Enteignung der Kirche durch den tunesischen Staat 1964, der das Erzbistum Karthago für nichtig erklärte, nach Rom überführt. Nur drei Jahre nach Lavigeries Tod, 1895, erfüllte sich ein alter Traum: Einer Karawane von Missionaren gelang es, ins Innere Westafrikas vorzudringen und Niederlassungen im heutigen Mali zu gründen.

Afrikamissionare - Weiße Väter

Als 1868 der französische Erzbischof von Algier, Kardinal Lavigerie, die Missionsgesellschaft der Afrikamissionare gründete, war Afrika noch ein unbekannter Erdteil. Dann begann der Wettlauf der Kolonialmächte, ein Spiel der Machtpolitik. Charles Lavigerie, der Erzbischof von Algier, wollte die Menschen Afrikas nicht dem Schicksal von Politikern, Forschern, Geschäftsleuten und Soldaten überlassen. Er brauchte eine Gruppe begeisterter, junger Menschen, die bereit waren, die Botschaft Jesu den Menschen in Afrika weiterzusagen und sie für Christus zu gewinnen.

Afrikamissionare in Burundi / © N.N. (KNA)
Afrikamissionare in Burundi / © N.N. ( KNA )
Quelle:
KNA
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