Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat es als Blasphemie bezeichnet, wenn Gott politisch vereinnahmt wird. Laut den Zehn Geboten dürfe der Name Gottes nicht missbraucht werden. Nicht für die eigenen Zwecke, nicht für eine politische Partei, nicht für eine Ideologie oder kulturelle Identität, sagte Marx in einem Interview des Bayerischen Rundfunks (BR) vom 13. Oktober. In allen Religionen gebe es die Tendenz, Gott zu missbrauchen für die eigenen Belange, erklärte Marx: "Manche Religion oder manche Religionsführer befördern das. Sie werden nicht nur instrumentalisiert, sie machen mit. Das halte ich für eine ganz schlimme Sache."
Vermischung von Religion und Politik
Er hätte nie erwartet, dass Religion heutzutage wieder eine solche Instrumentalisierung durch die Politik erfahre, erklärte der Kardinal. Dies gelte gerade für die USA, wo die Trennung von Religion und Politik eigentlich verfassungsmäßig vorgegeben sei. Auf einmal sei da nun wieder die Vermischung. Das treffe aber auch für Russland zu, wenn der Patriarch dort einen «heiligen Krieg» gegen den dekadenten Westen ausrufe.
Für die Zukunft, auch der Religion, sei eine solche Vereinnahmung gefährlich, warnte Marx. Denn bei vielen Menschen könnte der Eindruck entstehen, dass die Religionen "einfach nur mitschwimmen, wenn da gerade mal einer mächtig wird und wenn einer seine Ideologie noch mal antreiben will".
Marx äußert sich auch zu Stadtbild
Im Interview mit dem BR, sagte Kardinal Marx auch, dass sich das Stadtbild positiv verändern müsse. Immer im Sinne dessen, "dass alle sich wohlfühlen und dass alle miteinander im Gespräche sind", sagte Reinhard Marx. Die kulturelle Vielfalt müsse sichtbar sein, zudem müsse dies alles in Frieden und Toleranz geschehen.
Eine Stadt habe sich zu überlegen, wie sie ihre Entwicklung plane und wo Wohnungen entstehen sollen, wie diese seien und ob sie auch erschwinglich für Menschen mit geringerem Einkommen seien, gab Marx zu bedenken. Es stelle sich die Frage, ob es eine Chance gebe, dass sich bürgerliche Kreise und andere zusammentäten. Die Menschen sollten zusammen und nicht nur bestimmte Schichten irgendwo leben.
Dies gelte unabhängig davon, ob es sich um Deutsche oder Ausländer handle. Stadtviertel dürften sich nicht abschotten. Aber dafür müsse man eben auch etwas tun.
Migration positiv sehen
Marx sagte, ihn ärgere, dass das Migrationsthema derzeit wie ein Bedrohungsszenario entfaltet werde. Es gelte die positive Botschaft zu senden, dass Deutschland froh sei, dass viele hierhergekommen seien und arbeiteten. "Die Migration ist notwendig für uns", so der Kardinal. Letztlich sei es nur ein kleiner Teil von Migranten, die kriminell geworden seien und in der Folge abgeschoben werden sollten.
Angesichts der demografischen und wirtschaftlichen Situation gelte es, Migration als Chance zu betrachten. Allerdings müsse noch mehr, auch finanziell, für Integration getan werden. Auch die Kirche leiste dazu ihren Beitrag.
Nach Angaben des BR wurde das Interview am 13. Oktober aufgezeichnet, also noch bevor Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Zusammenhang mit Migration von einem "Problem" im "Stadtbild" sprach. Ende September aber hatte bereits CSU-Chef Markus Söder im "Münchner Merkur" gesagt, das Stadtbild müsse sich wieder verändern, es brauche mehr Rückführungen.
Ausschnitte aus dem Interview mit dem Kardinal sind in der Sendung "Stationen" des BR-Fernsehens am Mittwochabend um 19 Uhr zu sehen.