DOMRADIO.DE: Wie genau läuft denn mein Date mit der Orgel ab? Kann ich da auch tatsächlich selber das Instrument spielen?
Jörg Stephan Vogel (Schulleiter der Kirchenmusikschule im Bistum Essen): Selbstverständlich. Das "Date mit der Orgel" läuft so ab, dass wir auf unserer Homepage ein ganz wunderbar einfach zu bedienendes Kontaktformular haben, in dem man ein paar Eckdaten eingibt, unter anderem auch den Wohnort. Ich bin dann, um beim "Date mit der Orgel" zu bleiben, sozusagen Ihre Dating-Agentur.
Ich schaue also, ob wir einen Termin an der Orgel bei uns im Haus der Kirchmusik haben. Denn das ist ein besonderes Instrument. Oder das Date ist an der Orgel bei einem unserer tollen KollegInnen, das sind ökumenische KirchenmusikerInnen, die für die Kirchenmusikschule als Lehrbeauftragter arbeiten, die im ganzen Ruhrgebiet verstreut wirken und die dann jeweils eine eigene schöne Orgel oder manchmal sogar auch mehrere Orgeln in den Kirchen stehen haben.
Und dort würde dann idealerweise in der Nähe Ihres Wohnortes das Date mit der Orgel stattfinden. Das bedeutet, dass man dann, nachdem man das Instrument gezeigt bekommen hat, auch selber mal Platz nehmen darf an einem Spieltisch, dass man mal gucken kann, wenn man das eine oder andere Register zieht, wie das zusammenklingt und so weiter. Also, wir bieten ein ganz freies, experimentelles Ausprobieren an diesem überaus faszinierenden Instrument Pfeifenorgel an.
DOMRADIO.DE: Sie haben gerade gesagt, es gibt eine sehr besondere Orgel bei Ihnen in der Kirchenmusikschule. Wie muss ich mir die Orgel vorstellen?
Vogel: Unser Haus ist in den letzten Jahren umfangreich saniert worden. Und wir haben uns dann gefragt, was für eine Orgel denn eigentlich in eine Kirchenmusikschule gehört, die auf Zukunft ausgerichtet ist? Es gibt ja viele Orgeln, die zum Beispiel historische Stile imitieren. Da haben wir gesagt, das wollen wir nicht, sondern wir wollen mit der Orgel ein Klanglabor schaffen. Wir wollen ein Instrument bauen, das möglichst viele Features bietet; etwa Tools, um zum Beispiel zeitgenössische Musik zu machen oder aber dass die Orgel eine teildigitale Struktur hat.
So können wir dann die Diskussion führen und auch ausprobieren, wie ein Pfeifenorgelklang zusammengeht mit elektronisch generierten Klängen, also mit synthetisierten Klängen. Das bedeutet in dem Fall, dass die Elektronik nicht den Klang einer Pfeifenorgel imitiert, sondern die Elektronik ergänzt das, was die Pfeifenorgel eben nicht leisten kann. Und vielleicht springt dann der Funke über und Sie sagen, 'Mensch, das ist so toll, da will ich mehr von haben.' Da haben wir gleich das nächste Angebot, nämlich eine kleine, kompakte Orgelstundenreihe, die man dann bei uns gleich buchen kann.
DOMRADIO.DE: Das heißt, das war auch der Grund für Sie gewesen, dass Sie sich dachten, so was müssen wir anbieten?
Vogel: Nicht nur! Ich glaube, es ist ein schöner Nebeneffekt. Ich denke aber auch, dass wir hier an der Kirchenmusik-Schule seit langer Zeit einen ganz wunderbaren Job haben, dass wir Menschen, die in irgendeiner Weise schon eine Erfahrung mit Kirchen- und Chormusik – auch mit Neuen Geistlichen Liedern – haben, dass wir die für eine nebenberufliche kirchenmusikalische Teilzeitbeschäftigung ausbilden. Die sind von der besonderen Musik in der Kirche ganz begeistert und kennen sie.
Aber ich habe auch immer wieder erlebt, dass Menschen zu uns gekommen sind, die überhaupt gar keine Erfahrungen und eigenes Erleben mit Kirche und auch kirchlicher Musik oder kirchlichen Instrumenten wie der Orgel hatten. Und als die dann zum ersten Mal in Kontakt zum Beispiel mit der Pfeifenorgel gekommen sind, dass sie dann mit großen Augen davorstanden und total begeistert waren und einfach etwas für sich komplett neu entdeckt haben, was sie vorher gar nicht für möglich gehalten hätten.
Ich glaube, dass deswegen die Aktion mit dem "Date mit der Orgel" auch richtig und sinnvoll ist. Da bin ich meiner Kollegin Anna Grundmeier, die diese Idee dafür mit uns entwickelt hat, sehr dankbar, dass wir außerhalb der kirchlichen Strukturen, der kirchlichen Kommunikationswege und auch jenseits derjenigen, die ohnehin schon ein gutes Erlebnis mit Orgel haben, ganz bewusst in die Gesellschaft hineingehen und Menschen einladen wollen, die bisher damit nichts oder kaum etwas zu tun hatten.
DOMRADIO.DE: Die Orgel wird ja stark mit der Kirche assoziiert. Aber wo hat denn die Orgel ihre Wurzeln?
Vogel: Die Orgel war ja ursprünglich gar kein Kircheninstrument, sondern sie war ein Instrument – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – was im Zirkus in der Antike im Amphitheater genutzt wurde. Es war ein Instrument, zu dem man getanzt hat.
Sie ist im Laufe der europäischen Kulturgeschichte erst relativ spät, also nach dem 10. Jahrhundert, in die Kirche gekommen. Sie war dann relativ schnell eine Projektionsfläche von Repräsentanz, von feierlichen Liturgien. Sie hat dann natürlich eine einzigartige Kulturgeschichte als Instrument geprägt, für das berühmte Musikerinnen und Musiker aller Epochen im Laufe der Jahrhunderte komponiert haben.
Das Interview führte Lara Burghardt.