Seit 34 Jahren arbeitet Leif Murawski bei der Bahnhofsmission in Frankfurt - fast 100 Jahre länger besteht die kirchlich getragene Einrichtung am Hauptbahnhof schon. Trotz sinkender Mitgliederzahlen der Kirchen kann sie ihr Angebot halten.
Viele Besucher kennt Murawski mit Namen. Einzelne sind mindestens genauso lange Stammgäste, wie er schon in der Einrichtung arbeitet. Er machte dort Zivildienst, half während seines Studiums und ist seitdem Mitarbeiter. Für diejenigen, die seit Jahrzehnten kommen, hat sich hingegen wenig geändert. "Es gehört ja leider dazu, wenn man in so einem Metier arbeitet, dass man sehr oft aushalten muss, dass man nicht helfen kann und dass das solidarische Mitaushalten die einzige Hilfe ist, die man dann noch bieten kann", sagt er.
Wenn eine spontane Dusche viel bedeutet
Dort bekommen sie Getränke und Klamotten und können bei Bedarf an spezialisiertere Einrichtungen weitergeleitet werden. Neben Pullover und Kaffee geht es auch um die Möglichkeit, spontan zu duschen. Für den Mitarbeiter Murawski hat das eine größere Bedeutung: Wer gut riecht, werde eher von anderen Menschen akzeptiert. Und: "Wer sich noch pflegt, hat sich nicht aufgegeben."
Jeden Tag suchen 400 bis 500 Stammgäste und Reisende nach Unterstützung bei der Bahnhofsmission - und das kostet Geld. Die Bahnhofsmission ist Teil der kirchlichen Sozialverbände Caritas und Diakonie; der Kirche schwinden die Mitglieder und damit auch die finanziellen Mittel. In der Folge ist weniger Geld für die Verbände da, sie müssen sparen. Die nahe gelegene Bahnhofsmission in Gießen musste im August 2024 schon schließen - dem hessischen Verband fehlten die Gelder. Doch das ist nicht der Regelfall.
Der stellvertretende Leiter, Daniel Moddelmog, sagt, dass die Verbände kaum an der Frankfurter Bahnhofsmission sparen: Sie gelte als wichtige Institution. Entsprechend würden die Verbände die Kosten der Einrichtung mittragen - vorerst.
Finanzierungsmix wird immer neu verhandelt
Allgemein gilt: Caritas und Diakonie finanzieren sich unter anderem aus kirchlichen Geldern, öffentlichen Mitteln und Spenden. Kirchliche Krankenhäuser und Pflegeheime der beiden Einrichtungen werden in der Regel zu einem großen Teil staatlich finanziert. Niedrigschwelligere Angebote wie Kleiderkammer, Streetwork oder offene Beratungsstellen sind hingegen stark auf Spenden angewiesen. Die Bahnhofsmission wird vielerorts von Caritas und Diakonie gemeinsam getragen. Die Finanzierung ist nicht gesichert; sie kommt neben Spenden aus einem Mix aus Zuschüssen von den Kommunen und kirchlichen Mitteln.
Moddelmog erklärt: "Eine Einrichtung wie die Bahnhofsmission lebt sehr stark von den Eigenmitteln der kirchlichen Träger, weil wir im Gegensatz zum Beispiel zu einer Beratungsstelle oder einem betreuten Wohnen nicht sagen können: Ich habe jetzt zwei Fachleistungsstunden, die ich mit einem bestimmten Gast pro Woche abrechne." Welcher Anteil von der Stadt und welcher vom kirchlichen Träger kommt, wird daher regelmäßig neu verhandelt.
Personalkosten sind die größte Last
Die Spenden wiederum stammen von Privatpersonen, Kirchengemeinden, Stiftungen, Lions Clubs und Gerichtsgeldern. Die Mieträume bekommt die Bahnhofsmission kostenlos von der Deutschen Bahn gestellt.
Teuer wird es vor allem beim Personal. "Wenn die Eigenmittel der kirchlichen Träger zurückgehen, muss man sich natürlich fragen: Wer kann das übernehmen?", sagt Moddelmog und konkretisiert: "In welcher Verantwortung steht dann vielleicht auch eine Kommune, wenn sie ein Angebot wie hier in dem Umfang aufrechterhalten möchte? Welches Interesse hat auch die Bahn, dass wir nachts durchgängig besetzt sind?"
Auch in 100 Jahren wird das Angebot gebraucht
Wie viel Geld und vor allem Stellen die Einrichtung am Hauptbahnhof zur Verfügung hat, liege momentan weniger an den Mitgliederzahlen, sondern eher am Willen der Verbände, sie zu finanzieren. Mitarbeiter Murawski berichtet, dass zwischen 2005 und 2015 tendenziell Stellen gestrichen wurden.
Das änderte sich, als ab 2015 viele Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan kamen. Auch mit der Corona-Pandemie und Flüchtlingen aus der Ukraine finanzierten die Verbände die Stellen wieder stärker. Aktuell sehe es so aus, als würde es auch erst einmal so bleiben. "Ich bin mir sehr sicher, dass die Bahnhofsmission auch in 20 und in 40 und in 100 Jahren besteht, weil nicht davon auszugehen ist, dass man sie nicht mehr brauchen wird", betont er.