Zwischen einem noch grünen Mischwald und einem kleinen See erheben sich sechs spitze Türme. Seit Jahrhunderten markieren sie den Hauptsitz der Klosteranlage Maria Laach in der Eifel. Hochmittelalterliche Romantik verkündet bis heute noch eine Spur Unerschütterlichkeit.
Dabei ist es in den Klostermauern in den vergangenen Jahren alles andere als ruhig verlaufen. Elf Jahre lang haben sich die Ordensbrüder nicht auf einen neuen Abt einigen können. Einen Vorsitzenden zu finden, der von allen getragen wurde, war nicht möglich. Dann hat Rom eingegriffen.
Vom Regel- zum Sonderfall
In einem Benediktinerkloster wählen Mönche normalerweise ihren Abt selbst. Sollte das beispielsweise wegen Unstimmigkeiten nicht möglich sein, greift erstmal ein interner Mechanismus.
"Bei uns Benediktinern ist das so, dass in aller Regel der Abtpräses im Rahmen einer Visitation weitere Maßnahmen ergreift", erklärt Daniel Tibi. Er ist selbst Benediktiner und Assistenz-Professor für Kirchenrecht an der Paris Lodron Universität in Salzburg.
So kann eine Übergangsleitung eingesetzt werden. Sollte danach immer noch keine Einigung möglich sein, kann der Apostolische Stuhl oder das Ordens-Dikasterium eingreifen. Das war in Maria Laach der Fall. 2020 hat der Vatikan dort eine apostolische Visitation veranlasst.
Novum in Deutschland
Der damalige Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke, selbst Benediktiner, sowie der Abt der Ettaler Benediktinerabtei, Barnabas Bögle, waren mit der Prüfung beauftragt worden, um im Kloster in der Eifel eine Lösung für den Konflikt zu finden.
Das Verfahren sollte "zum Frieden in Maria Laach" beitragen und dem Kloster "eine tragfähige gute Zukunft" ermöglichen, hieß es von offizieller Seite. Eine interne Einigung war aber auch danach nicht möglich. Nun hat der Vatikan in der vergangenen Woche Pater Dr. Mauritius Wilde zum neuen Abt der Benediktinerabtei Maria Laach ernannt.
"In der Praxis ist das wirklich die allerletzte Möglichkeit", ordnet der Kirchenrechtler ein. Dass mit dem Apostolischen Stuhl die höchste Instanz eingreift und einen Abt einsetzt, sei aber rechtlich möglich. Dennoch: "Im deutschsprachigen Raum wüsste ich kein jüngeres Beispiel, in dem das praktiziert worden ist", so Assistenz-Professor Tibi.
Aufbruch oder Rückbesinnung?
Ein jahrelanger Grundkonflikt in der Abtei hat für Unstimmigkeiten gesorgt. Der Konvent war gespalten. Es gab zwei Ausrichtungen: "Eine, die mehr auf Öffnung hin zu Tourismus und Veranstaltungen von außerhalb ausgerichtet war und eine weitere Gruppe, die sich eher auf das monastische, kontemplative Leben konzentrieren wollte", erklärt Benediktiner Tibi. Da sei es nicht möglich gewesen, eine Einigung zu treffen.
Daniel Tibi sieht darin ein grundsätzliches Problem. Denn Klöster müssen für ihren eigenen Lebensunterhalt selbst sorgen, da sie keine Kirchensteuer erhalten. Eine auch finanziell bewegte Öffnung nach außen bringt jedoch eine gewisse Unruhe ins Kloster.
Tourismus in Maria Laach
"Da ist es verständlich, dass eine andere Gruppierung sagt: Wir wollen wieder uns mehr auf das monastisch-kontemplative Leben konzentrieren, denn dafür sind wir ins Kloster eingetreten", sagt Tibi. Allerdings entstehe dann das Problem, dass eben jene Einkünfte wegfallen und man sich nicht mehr so finanzieren könne, wie es mit der Öffnung zum Tourismus und anderen Tätigkeiten hin möglich wäre.
Dabei ist Maria Laach schon lange kein abgeschlossener Ort mehr. Die Benediktinerabtei ist ein wirtschaftlicher Betrieb mit Verlag, Hotel und Handwerksbetrieben. Doch die Frage ist, wie viel Öffnung er verträgt. Diese wird auch der neue Abt beantworten müssen.
Benediktiner mit Wirtschaftskompetenz
Die Frage nach der wirtschaftlichen Ausrichtung ist aber in einem so großen Klosterbetrieb wie dem von Maria Laach eine zentrale. Ein Abt müsse zum einen in der benediktinischen Ordensspiritualität beheimatet sein, so Daniel Tibi. Das heißt, er leitet die Gemeinschaft, indem er den Mönchen ein Vorbild gibt.
Zum anderen brauche er Führungskompetenzen: "Man muss auf die verschiedenen Individuen eingehen können und eine Gemeinschaft zusammenführen können." Zudem brauche es Expertise im Bereich Wirtschaft, Verwaltung und Recht. Aber ein Abt müsse nicht alles selbst leisten, ordnet Tibi ein. Doch er sollte zumindest ein gewisses Grundverständnis in dieser Richtung haben.
Die Personalentscheidung aus Rom ist gewissermaßen "der letztmögliche Schritt in der Hoffnung, dass der Abt eben auch von der Gemeinschaft akzeptiert wird und dass er die Gemeinschaft in eine gute Zukunft führen kann", sagt Kirchenrechtler Tibi.
Mit dem neuen Abt könne ein Neuanfang versucht werden. Ein frischer Blick auf die Dinge sei nicht verkehrt, da ein neuer Abt auch als Vermittler positive Effekte haben könne. Wie das ausgehe, hänge auch davon ab, so Benediktiner Tibi, ob er tatsächlich von allen 25 Mönchen in Maria Laach akzeptiert werde. Gelingt das, verkünden die sechs spitzen Türme nicht nur eine Spur Unerschütterlichkeit, sondern künftig auch wieder monastische Ruhe.