Angesichts der vielen Kirchenaustritte darf die katholische Kirche nach Ansicht des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf nicht resignieren. Bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda sagte Kohlgraf am Dienstag: "Wir befinden uns inmitten tiefgreifender Veränderungen, denen wir uns stellen müssen - und zwar ohne in Resignation oder Kulturpessimismus zu verfallen oder uns aus der Gesellschaft schmollend zurückzuziehen."
Reformen allein reichten nicht aus und führten nicht automatisch zu vollen Kirchenbänken, sagte Kohlgraf, der die Pastoralkommission der Bischofskonferenz leitet. "Es ist verkürzt zu meinen, man müsse nur an einzelnen institutionellen Stellschrauben drehen oder unsere Angebote für einzelne Zielgruppen verbessern, um Menschen in der Kirche zu halten oder gar neue zu erreichen."
Schlummert in jedem die Frage nach Gott?
Der Theologe Jan Loffeld von der Universität Tilburg in den Niederlanden stimmte dem zu: Kirchenreformen seien zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Die Kirche müsse sich darüber hinaus von einer bislang kaum hinterfragten Annahme verabschieden: "Es ist die Annahme, dass in jedem Menschen die Frage nach Gott schlummert und es lediglich guter Methoden bedarf, diese zu wecken." Davon könne die Kirche heute nicht mehr ausgehen.
Die rund 60 katholischen Orts- und Weihbischöfe beraten in Fulda über Schlussfolgerungen aus einer Studie zu drastisch sinkender Religiosität. Die "Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung" kam 2023 zu dem Befund, dass sich nur noch 13 Prozent der Bevölkerung kirchlich gebunden fühlen. Nur 9 Prozent der Befragten erklärten, sie hätten noch Vertrauen in die katholische Kirche.