Ein alter, verrosteter, leerer Panzerschrank am Eingang des Museums empfängt die Besucher von Kolumba anstelle des gewohnten üppigen Blumenbouquets. Was wohl in diesem "Sicherheitsschrank" von Felix Droese weggeschlossen werden könnte, spielt keine Rolle. Dieser Schrank bietet keine Sicherheiten mehr, sondern nur noch Leere.
Eine Leere, die gefüllt werden kann – durch die Kunst als "Gegengewicht zu den Schrecknissen der Zeit", so Museumsdirektor Dr. Stefan Kraus. "Kunst in Zeiten der Unvernunft" ist der Untertitel der Ausstellung. Es ist beeindruckend, wie das Kolumba-Team die beängstigenden Entwicklungen in dieser Welt verbindet mit dem Gedanken, dass Kunst im Museum einen "Trostraum" bietet.
Künstler klagen an
"Wir müssen mit der Realpolitik umgehen", sagt Stefan Kraus. Gleich im Foyer konkretisiert die Installation "Keine Kunst aber Tatsachen" des Künstlers Droese, was ihn bewegt – die ökologische Krise. Zwei durch eine Ölpest verendete Seevögel in einer Vitrine, verbunden mit Laborgläsern, klagen die Verantwortungslosigkeit der Menschen gegenüber der Schöpfung an.
Das Kolumba-Team reagiert mit zwei unterschiedlichen Werken auf die wachsende Unsicherheit, die die Menschen angesichts der skrupellosen Machtgier von Politikern und ihre unverhohlene Kriegslust erfasst. Die Papierbilderserie von Gerard Gasiorowski setzt sich mit den Schrecken des Krieges auseinander. Die benachbarte permanente Rauminstallation "Tragedia civile" von Jannis Kounellis gewinnt dadurch eine neue Bedeutung.
Eine minimalistische Anklage korrupter Machtpolitik visualisiert Olaf Eggers in seinem drei Sekunden dauernden Video-Loop "Trip". Zu sehen sind die beiden hochrangigen republikanischen Politiker Dick Cheney und Dennis Hastert in uniformen Anzügen, die permanent und völlig sinnentleert applaudieren. Mit einem gewissen Gruseleffekt vermittelt dieses Video das Bild von Politikern als gewissenlose Claqueure, denen es um puren Machterhalt geht, ohne moralische Haltung.
Rolle der Frau im Kunstbetrieb
Die viel diskutierte Frage nach der Rolle der Frau im Kunstbetrieb findet in den beiden Künstlerinnen Monika Bartholomé und Bettina Gruber eine selbstbewusste wie humorvolle Betrachtung. Monika Bartholomé, deren feine Zeichnungen im Gotteslob neue Akzente gesetzt hat, lenkt in ihrem Tableau "Brenda, Lee and the others" die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Frau als Objekt in den Gemälden von Männern, die die Kunstwelt dominieren. Sie vermittelt in ihren bunten Bildern, zum Teil persönlichen und humorvollen Texten ein selbstbewusstes Statement als Künstlerin, die sich der Flüchtigkeit des Seins bewusst ist.
Auch Bettina Grubers spielt in ihren Selbstporträts "Portrait of the Artist as a Young Man" and "Portrait of the Artist as an Old Man" mit den tradierten Geschlechterrollen. Beiden Künstlerinnen scheint gemeinsam, dass sie sich mit den Mitteln des hintergründigen Humors von den Niederungen aggressiver Feminismusdebatten emanzipiert zu haben scheinen.
Trosträume jenseits des Faktischen
"Jeder Mensch ist ein Künstler – make the secrets productive" – das Motto der aktuellen Jahresausstellung hat Josef Beuys auf eine Holztür geschrieben, die in Kolumba zu sehen ist. Geheimnisse ziehen nicht nur magisch die Menschen an, sie eröffnen auch einen Blick auf Realitäten jenseits des Faktischen, in denen, so Kraus, "wir Hilfen zur Lebensbewältigung" finden können. Das Zusammenspiel von Kunst und Religion im Ergründen von diesen geheimnisvollen Zwischenräumen offenbart sich in Kolumba in erfrischend vielfältiger Weise.
Mit Paul Theks‘ poetischer himmelblauer Spielzeug-Installation "Portable Ocean" fliegen wir in Traumwelten und schauen auf seinen aus Zeitungspapier geformten blauen Planeten. Mit Mladen Stilinović bleiben wir im Bett und träumen uns weg. Die mittelalterliche Skulptur "Christus in der Rast" lädt ein, sich mit ihm in die Passion zu versenken. Die Fotoinszenierungen "Transzendentaler Konstruktivismus" von Anna und Bernhard Blume entführen im gleichen Raum humorvoll in paranormale Welten, in denen sie von geometrischen Formen "bedroht" werden, die am Ende sich zu einem Kreuz verdichten.
Spiel mit Perspektiven
Ein Ausflug in die bunte Welt des Zirkus bietet der Raum 13 mit der Fotoportätserie "Roncalli – Reise zum Regenbogen" von Walter Scheels (1981). Eine schier endlos reichende Reihe von Zirkusartisten und -gehilfen in Kostümen wandern entlang der Wände bis kurz vor dem Elfenbeinkreuz. Durch sie können Menschen für ein paar Stunden in eine andere Welt abtauchen, wie wir mit unserem Museum, so Kraus.
Stimmungsaufhellende Hoffnungsträger sind auch die farbintensiven kunsthandwerklichen Alltagsgegenstände wie Vasen oder Schmuckgegenstände, die sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung ziehen.
Im Kleinen wie im Großen spielen Kunstschaffende mit Perspektiven. Bewundernswert und anrührend sind die aus Rietgras kunstvoll geformten, klitzekleinen Boote von Bethan Huws. Welch ein Kontrast zu der tonnenschweren monumentalen Skultpur "Fliegende Lokomotive" von Victoria Bell, die fast schwerelos wirkt und suggeriert, alles ist möglich.
Fazit
Eine heitere Gelassenheit liegt über der aktuellen Jahresausstellung von Kolumba, die dieses Jahr den einzelnen Kunstwerken viel Raum lässt und damit auch Raum für die Gäste, ihre Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Trotz der beängstigenden Gegenwart setzt das Museum in seiner Ausstellung vielseitige und perspektivenreiche Zeichen der Hoffnung mit dem Menschen im Mittelpunkt.
Die Ausstellungsmacher haben dieses Jahr den Schwerpunkt auf die moderne und zeitgenössische Kunst gelegt, weniger auf sakrale Kunstwerke. Doch die im Raum dominierenden Skulpturen wie "Christus in der Rast" oder "Ecce Homo" entfalten ihre Wirkung umso nachdrücklicher. In seiner letzten Ausstellung vor seinem Ruhestand hat Stefan Kraus für das Kunstmuseum Kolumba eine klare Botschaft: "Wir sollten den Raum des Glaubens und der Spiritualität nicht verlieren, die verbunden ist mit der Weite des Denkens und der Toleranz dem Fremden gegenüben. Das alles können wir von der Kunst aus lernen."
Die Ausstellung "‘make the secrets productive‘ Kunst in Zeiten der Unvernunft" geht vom 15. September 2025 bis zum 14. August 2026.