Schauspiel-Legende Mario Adorf wird 95 Jahre alt

Spagat zwischen Ganoven und Kirchenmännern

Zürich, Rom, Saint Tropez gehören zu den Stationen seines Lebens. Seine Kindheit verbrachte der spätere Schauspieler und Kosmopolit Mario Adorf allerdings im Eifelort Mayen. Mehrfach spielte der Darsteller auch Kirchenmänner.

Autor/in:
Joachim Heinz
Mario Adorf / © Fabian Strauch (dpa)
Mario Adorf / © Fabian Strauch ( dpa )

Vielleicht gehört dies ja zu seinen größten Kunststücken: dass ihm die Kinogänger den Tod von Nscho-tschi verziehen haben. Anfang der 1960er-Jahre passierte das, als Mario Adorf in der Winnetou-Trilogie von Harald Reinl den Bösewicht Santer verkörperte und in dieser Rolle die Schwester des Häuptlings der Apachen niederstreckte. "Manche Leute sagen mir immer noch, sie hätten mich damals dafür gehasst", so Adorf, der am 8. September seinen 95. Geburtstag feiert. Zum Glück für Schauspieler und Publikum kamen im Laufe seines langen Lebens eine Fülle weiterer Rollen hinzu.

Ganoven und Kirchenmänner

Wandlungsfähig und gesegnet mit einer guten Portion darstellerischer Präsenz schlüpfte Adorf in die Rolle von Soldaten und Ganoven, Wirtschaftsbossen und Kirchenmännern. So spielte er mehrere Päpste wie Sixtus V. oder Urban VIII. Für einen WDR-Film über Galileo Galilei interviewte der Künstler 1990 sogar Kardinal Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI. Ein anderes Mal quälte er als trunksüchtiges Familienoberhaupt Jonas Lauretz in der ZDF-Alpensaga "Via Mala" seine Verwandtschaft. Unvergessen auch sein Auftritt als Generaldirektor Heinrich Haffenloher in der Kult-Serie "Kir Royal": "Isch scheiß disch sowas von zu mit meinem Jeld."

Kollar, Kragen am Hemd eines Priesters / © Harald Oppitz (KNA)
Kollar, Kragen am Hemd eines Priesters / © Harald Oppitz ( KNA )

Dabei nahm er nicht jeden Job an; schlug hier und da auch ein Angebot aus, etwa eine Rolle in Francis Ford Coppolas "Der Pate". Was Adorf im Gespräch mit dem Journalisten Tim Pröse nonchalant kommentierte: "Aber man wusste ja vorher auch nicht, was der 'Pate' letzten Endes als Film bedeuten würde." Worum er hingegen bereits mit Anfang 20 ganz genau wusste, war seine Liebe zu den Brettern, die die Welt bedeuten. "Das 'Ich will Schauspieler werden' ist zum 'Ich muss' geworden", schrieb er im März 1953 in seiner Bewerbung für die Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München.

Zum Vorsprechen hatte sich der angehende Mime eine Passage aus Schillers "Wallenstein" ausgesucht. Der couragierte Auftritt blieb allen Beteiligten in besonderer Erinnerung, weil Adorf mit den ersten Sätzen etwas zu beherzt auf die Bühne stürmte - und von dort in den Saal stürzte. Mit einem lauten "Scheiße" beendete er unter dem Gelächter der Prüfungskommission die kurze Darbietung. Später sollte er erfahren, dass die Stimme von Hans Schweikart, damals Intendant der Münchner Kammerspiele, den Ausschlag zu seinen Gunsten gegeben hatte. "Probieren wir ihn mal drei Monate aus", meinte der Regisseur. "Er hat zwei Dinge, die mir aufgefallen sind: Kraft und Naivität."

Kindheit im Krieg

Adorf, selbst dem sportlichen Faustkampf zugetan, boxte sich durch. Vielleicht ein Erbe seiner schwierigen Kindheit. 1930 kam er in Zürich als Sohn der deutschen Röntgenassistentin Alice Adorf und des italienischen Arztes Matteo Menniti zur Welt. Seinen Vater, der als verheirateter Mann eine Affäre mit seiner Mutter begonnen hatte, sah Adorf nur ein einziges Mal. Die Verbindung zur Mutter, die kurz nach Marios Geburt zu Verwandten in das Eifelstädtchen Mayen zog, bestand dagegen ein Leben lang.

In dem berührenden Band "Mit einer Nadel bloß" schildert der Schauspieler, wie die alleinerziehende Alice in einem konservativen Milieu als Schneiderin ihren Sohn durch Not und Elend brachte - auch wenn sie ihn zeitweilig in einem von Benediktinerinnen geführten Waisenhaus unterbringen musste. Der junge Adorf erlebte den Aufstieg der Nationalsozialisten in der Provinz mit - und wenige Jahre später die Schrecken des Zweiten Weltkriegs.

Zur Sphäre des Religiösen, das hat der Schauspieler immer wieder erklärt, findet er keinen Zugang. Er sei unfähig zu glauben, aber dennoch nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten, vertraute er einmal der Illustrierten "Bunte" an. "Ich wollte nicht, dass es so aussieht, als sagte ich mich vom Glauben nur los, um die Kirchensteuer zu sparen."

Einsatz für die Demokratie

Auch im hohen Alter hat sich Adorf eine enorme Vitalität bewahrt. Geschichtsvergessenheit und einen Hang zu einem autoritären Politikstil prangerte er zuletzt wiederholt an. "Unsere Demokratie muss erhalten bleiben", mahnte er noch im vergangenen Jahr bei einem Foyergespräch im Deutschen Filminstitut & Filmmuseum in Frankfurt. 

Kurz darauf erhielt Mario Adorf den Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises. Er habe in all den Jahrzehnten noch nie eine Verleihung aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen, kommentierte er die Tatsache, dass er die Ehrung nicht persönlich entgegennehmen konnte. "Aber jetzt, mit 94 da darf man ja auch mal krank sein, oder?"

Quelle:
KNA