Katholische Kirche in Nicaragua erlebt Verfolgung

"Kirche vom Erdboden verschwinden"

Verhaftete Bischöfe, ausgewiesene Priester, beschlagnahmte Grundstücke. Die katholische Kirche in Nicaragua erlebt eine nie dagewesene Verfolgung. Exil-Politiker Felix Maradiaga sieht darin den Versuch, die Kirche mundtot zu machen.

Autor/in:
Tobias Käufer
Fahne Nicaraguas / © em_concepts (shutterstock)

Seit einigen Tagen ist die selbst auferlegte Zurückhaltung Geschichte. Nur wenige Tage nach einem Treffen von Bischöfen aus Nicaragua, die im Exil leben müssen, mit Papst Leo XIV. geht Managuas Weihbischof Silvio Baez wieder in die Offensive. 

Papst Franziskus (l.) und Jose Silvio Baez Ortega (r.) / © Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus (l.) und Jose Silvio Baez Ortega (r.) / © Romano Siciliani ( KNA )

In einer Predigt in Miami nach seiner Rückkehr aus Rom übte Baez am vergangenen Wochenende schwere Kritik an dem sandinistischen Regime von Daniel Ortega und Rosario Murillo: "Wenn diejenigen, die in einem Land die Macht haben, glauben, dass Nachgeben ein Zeichen von Schwäche ist, dass Zugeständnisse immer Verluste bedeuten, dann zeigen sie damit, dass sie eine Gefahr für die Gesellschaft sind und weder die Fähigkeit noch das Recht haben, Macht auszuüben."

Kurswechsel im Vatikan

Zugleich kritisierte Baez das Desinteresse der internationalen Staatengemeinschaft an der Lage in Nicaragua. Es gebe Völker, die durch Unterdrückung ins Abseits gedrängt und durch willkürliche Macht zum Schweigen gebracht wurden. Diese seien für die Welt unsichtbar und nicht einmal mehr Schlagzeilen in den großen Zeitungen. Baez Rückkehr in die Schlagzeilen deutet nach längerem Schweigen auch auf einen Kurswechsel im Vatikan hin. Hatte sich Papst Franziskus zu den Menschenrechtsverletzungen in den Linksdiktaturen Kuba, Venezuela und Nicaragua eine Zurückhaltung auferlegt, scheinen die Exil-Bischöfe nach dem Treffen mit Leo XIV. nun neuen Mut zu schöpfen. 

Baez wurde vor gut sechs Jahren von Franziskus aus Nicaragua abberufen. Bis dahin war er die lauteste Stimme der Kirche gegen die Ermordung von Oppositionellen und Studenten. Offiziell weil es Morddrohungen aus dem sandinistischen Lager gegen Baez gab. Hinter vorgehaltener Hand gab es allerdings auch die These, Franziskus habe unbedingt vermeiden wollen, dass es einen "politisch konservativen Märtyrer" geben könne. Volkswirtschaftlich sympathisierte der Papst eher mit dem linksgerichteten Peronismus in seinem Heimatland Argentinien. Mit dem konservativen Kapitalismus fremdelte er eher.

"Kirche als Feind der Sandinisten"

Franziskus´ Nachfolger Leo XIV. scheint nun der verfolgten Kirche in Nicaragua mehr Aufmerksamkeit schenken zu sollen. Darauf deutet schon das Treffen im Vatikan mit den Exil-Bischöfen hin. Einer, der die Situation der Kirche in Nicaragua genauestens verfolgt, ist Felix Maradiaga. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat wurde vor den letzten Jahren wie alle namhaften Oppositionsvertreter verhaftet und dann zwangsausgewiesen. Wie Weihbischof Baez lebt Maradiaga nun in Miami.

Felix Maradiaga, ehemaliger Präsidentschaftskandidat und Politiker aus Nicaragua / © Tobias Käufer (KNA)
Felix Maradiaga, ehemaliger Präsidentschaftskandidat und Politiker aus Nicaragua / © Tobias Käufer ( KNA )

Maradiaga sieht hinter der massiven Repression des sandinistischen Staates die Strategie von Machthaber Daniel Ortega und Vizepräsidentin Rosario Murillo, die Kirche aus dem gesellschaftlichen Leben auszuradieren. "Sie wollen sie mundtot machen, zum Schweigen bringen. Sie wollen, dass sie vom Erdboden verschwindet", so Maradiaga.

Auf dem Höhepunkt der Sozialproteste 2018 hatten die Kirchen ihre Tore geöffnet, um verfolgten Studenten und Demonstranten, die vor den Polizeiknüppeln und -kugeln flohen, einen Schutzraum zu gewähren. Trotzdem wurden Demonstranten auch auf Kirchengelände ermordet. "Seitdem betrachtet Ortega die Kirche als Feind der Sandinisten", sagt Maradiaga. 

Es folgten Verhaftungen, Repression, Zwangsausweisungen. In einer in diesen Tagen veröffentlichten Studie einer nicaraguanischen Journalistin sind über 1000 Übergriffe des Staates gegen kirchliche Einrichtungen dokumentiert. Universitäten wurden geschlossen und beschlagnahmt, Ordensgemeinschaften aufgelöst und ins Ausland gezwungen.

Felix Maradiaga

"Jedes Mal, wenn der Heilige Stuhl Stellung bezieht, bestraft das Regime die Orts-Kirche in Nicaragua."

Für die Zurückhaltung des Vatikans in der Vergangenheit hat Maradiaga ein Stück weit Verständnis. "Jedes Mal, wenn der Heilige Stuhl Stellung bezieht, bestraft das Regime die Orts-Kirche in Nicaragua. Ordensleute werden ausgewiesen und Klöster geschlossen. Deswegen scheint es, die Strategie der Kirche zu sein, päpstlich-diplomatisch zu vorzugehen. Päpstlich - wie der Name schon sagt: Das bedeutet, Brücken zu bauen. Vor allem will das jene kirchliche Fraktion um Kardinal Leopoldo Brenes. Denen geht es um eine Art Koexistenz, um innerhalb Nicaraguas weiterarbeiten zu können", sagt Maradiaga.

Inzwischen gibt es allerdings Berichte darüber, dass jeder Priester seine Sonntags-Predigt der Polizei zur Genehmigung vorlegen müsse.

Polizei in Nicaragua / © Jeiner Huete_P (shutterstock)

Die Polizei macht offenbar Fotos von denen, die zur Messe gehen, sie fotografiert die Priester. "Selbst der Mittelweg, den die katholische Kirche gegangen ist, war erfolglos. Das Regime akzeptiert nicht einmal, dass die Kirche ihre Aufgabe als Stimme der sozialen Gerechtigkeit wahrnimmt. Das Regime will eine völlig schweigsame Kirche. Eine Kirche, die wegschaut und sich zu Armut und zur Menschenrechtslage nicht äußert."

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International dokumentieren die Verbrechen des Ortega-Regimes seit Jahren. Die NGOs berichten von Wahlbetrug über Folter bis hin zur Gleichschaltung der Medien und der Institutionen.

Benito Martinez

"Die katholische Kirche durchlebt die schwersten und dunkelsten Zeiten, die sie je erlebt hat."

Der ebenfalls im Exil lebende katholische Geistliche Benito Martinez sieht die Kirche auch in schwerem Fahrwasser. Martinez gehört zu jenen Geistlichen, die verhaftet und gefoltert wurden. Er musste Tage in einer Zelle verbringen, in der man nur stehen konnte. Inzwischen lebt er in den USA und zählt zu einer Gruppe von rund 200 politischen Gefangenen, denen vor einigen Monaten im Rahmen einer humanitären Aktion in den USA Zuflucht gewährt wurde. 

Sein Fazit zur Lage der Kirche in Nicaragua fällt verheerend aus: "Die katholische Kirche durchlebt die schwersten und dunkelsten Zeiten, die sie je erlebt hat. Nie zuvor wurde die Kirche so verfolgt und dezimiert wie in diesen Jahren."

Quelle:
KNA